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Sa Panada – ein „Edelstein der sardisch-mediterranen Ernährung“

Wenn unsere Freundin Giulia aus Oristano ihre Panadas ankündigt, dann ist die Vorfreude groß. Sie bereitet sie oft für Feste und Essen vor, zu denen sich unser Freundeskreis trifft. Diese Panadas sind immer köstlich. Deshalb habe ich Giulias Rezept in mein Kochbuch aufgenommen. Ich wusste wohl, dass es auf der Insel eine Vielzahl von Varianten und Rezepten für Sa Panada gibt, und ich wusste auch, dass dieses Gericht eine lange und reiche Tradition besitzt. Aber wie lang und wie reich diese Tradition der Panadas auf Sardinien wirklich ist, habe ich erst jetzt auf einer Tagung in Assemini, einem Städtchen bei Cagliari, erfahren.

Locandina-Sa-Panada-URN-Sardinnya

Assemini ist einer der drei Orte auf der Insel, in denen die Panadas eine besondere Tradition haben. Die junge Journalistin Veronica Matta stammt von dort. Sie hat die wissenschaftliche Tagung initiiert und organisiert, gemeinsam mit dem Arzt und Präsidenten des Forschungszentrums zur Ernährung der Hundertjährigen (Centro di ricerca sull’alimentazione dei Centinari), Roberto Pili. Auf dieser hochinteressanten und gut besuchten Veranstaltung haben Wissenschaftler und Praktiker aus den drei „Panada-Orten“ Assemini, Oschiri und Cuglieri in ihren Vorträgen ganz unterschiedliche Aspekte dieses außergewöhnlichen Gerichts dargestellt.

Roberto Pili betrachtete die Bedeutung der Panada aus dem Blickpunkt der gesunden Ernährung. Er wies auf den Zusammenhang zwischen der sardisch-mediterranen Ernährung und der besonderen Langlebigkeit der Sarden hin. (Die sardische Provinz Ogliastra ist eine von weltweit fünf „Blue Zones“ mit dem relativ höchsten Anteil besonders alter Menschen. Siehe dazu auch den Beitrag auf dieser Website.) Die Panada ist für Pili ein typisches Beispiel für die gesunde und zu einem langen Leben beitragende sardische Ernährungsweise.

Die Ernährungsanthropologin Alessandra Guigoni ging auf die historische Entwicklung der sardischen Panada ein, die höchstwahrscheinlich von den spanischen Besatzern im späten Mittelalter auf die Insel gebracht wurde. Die in Spanien und in Südamerika noch immer gern gegessenen Empanadas dürften die Vorfahren und Verwandten der sardischen Varianten sein. Insgesamt wurden salzige Pasteten im ausgehenden Mittelalter in Europa offenbar gerne gegessen. Das belegen die Bilder aus dem 17. Jahrhundert, die Giugoni in ihren Vortrag eingebaut hat (siehe Bild).

In Sardinien hat sich diese Pasteten-Tradition bis heute erhalten. Die Panada sei, so die These der Wissenschaftlerin, die „Pizza der Sarden“. Es gebe viele Gemeinsamkeiten zwischen der Pizza und Sa Panada, etwa die Reichhaltigkeit und Variabilität der Zutaten und der Charakter einer vollständigen Mahlzeit. Allerdings sei die Panada nicht so einfach zuzubereiten wie die Pizza.

Für die Zubereitung der Panadas brauche man einiges an Übung, besser noch eine spezielle Schulung. Auch deshalb habe sich die Panada vielleicht nicht so erfolgreich durchgesetzt wie die Pizza. Vor diesem Hintergrund lobte Giugoni die Initiative von Veronica Matta und deren Mitstreiterinnen und Mitstreitern zur Gründung der „scuola della Panada per adulti e bambini“ (Schule der Panada für Erwachsene und Kinder) in Assemini, die auch schon einen ersten Kurs veranstaltet hat.

Raimondo Mandis von Slow Food Cagliari schließlich ordnete die Panada in die Slow Food-Philosophie ein und verwies auf die Nachhaltigkeit der Herstellung von Panadas durch die Nutzung von heimischen, verantwortungsvoll produzierten Lebensmitteln und die dazu notwendige handwerkliche Kunst. Und er wies auf den kommunikativen Charakter der Panada-Herstellung hin. Denn diese geschehe bis heute oft gemeinschaftlich. Was ich bestätigen kann, denn auch unsere Freundin Giulia lädt oft Freundinnen ein, um die Panadas gemeinsam vorzubereiten.

Schon nach diesen theoretischen Vorträgen war klar: Die Panada, von den Organisatoren stolz „Gioiello della dieta sardo mediterranea“ (Edelstein der sardisch-mediterranen Ernährung) genannt, ist mehr als nur eine von vielen sardische Spezialitäten. Sie ist ein komplexes Gericht, das alleine schon eine ganze Mahlzeit ergibt. Und dabei wird all das geboten, was normalerweise zu einer sardischen Mahlzeit  gehört: Brot, das hier zugleich auch den Kochtopf ersetzt, Gemüse, Fleisch oder Fisch (Aal) und auch unterschiedliche Gewürze. Und sie ist ein Kulturgut, das aus der Tradition lebt, aber sich auch vielfältig weiter entwickelt – also durchaus weiterhin „lebendig“ ist.

Die drei verschiedenen Sorten der Sa Panada im Video

Wie „lebendig“ die Panada in Sardinien noch oder wieder ist, machten auf der Tagung die Berichte über die praktische Arbeit in Assemini, Oschiri und Cuglieri deutlich. Neben der schon erwähnten Schule zum Erlernen der Panada-Herstellung (die die Vertreter aus Cuglieri, wie sie ankündigten, gerne auch als Anregung für ihre eigene Arbeit nutzen wollen), gibt es vielfältige Aktivitäten, die Panadas bekannt zu machen und einem breiteren Kreis von Menschen nahe zu bringen. Als wichtigste Aktivität veranstalten alle drei Orte jährlich eine Sagra della Panada, also ein Volksfest, einen Jahrmarkt der Panada. (Das Video aus Cuglieri gibt davon einen Eindruck.) Die Feste sind: Anfang August in Oschiri, am zweiten Sonntag im August in Cuglieri und Anfang September in Assemini.

Die Panadas der drei Orte unterscheiden sich durchaus deutlich. Die Panada von Assemini ist groß und reicht für mehrere Personen. Sie wird traditionell in zwei Varianten hergestellt:  mit Aal und Kartoffeln sowie mit Lamm und Kartoffeln. In Cuglieri sind die Panadas kleiner, dienen eher als Vorspeise und sind viel reichhaltiger gefüllt. Auch wird die Füllung nicht wie in Assemini roh in den Teig geben sondern vorgegart. Und in Oschiri gleicht die Form eher der von Cuglieri und der Inhalt traditionell eher dem von Assemini.

Kleine Bildergalerie von den Vorführungen und der Verkostung nach der Tagung

In Oschiri wurden die Panadas in den vergangenen Jahrzehnten durch geschickte unternehmerische Initiative zu einem erfolgreichen Produkt, das von mehreren Herstellern weit über das Dorf hinaus verkauft wird. Laura Achenza, die Inhaberin der Teigwarenmanufaktur „Pastificio ‚Sa Panada’ di Oschiri“, berichtete auf der Tagung von diesem Erfolg. Sie machte deutlich, dass ihr Erfolg auch darin begründet ist, dass sie die Herstellung der Panadas vereinfacht hat und zusätzlich zu den traditionellen Rezepturen auch modernere, teils auch vegetarische Rezepte verwendet. „Wir haben die Panadas dem heutigen Geschmack angepasst“, betonte sie, „nicht, weil wir mit der Tradition brechen wollten, sondern um diese weiter zu entwickeln und lebendig zu erhalten.“

Das ist sicherlich ein richtiger Weg. Denn Sa Panada verdient eine größere Beachtung. Sie kommt zwar nicht nur in Assemini, Oschiri und Cuglieri auf den Tisch. Auch in anderen Orten auf der Insel gibt es Liebhaber dieses außergewöhnlichen Gerichts, wie das Beispiel unserer Freundin aus Oristano zeigt. Aber wirklich weit verbreitet ist die Panada nicht. Man kann Glück haben und sie auch einmal auf der Speisekarte eines Restaurants finden – aber das geschieht eher selten.

Alessandra Giugoni, die Ernährungsanthropologin, wies deshalb auch darauf hin, dass es schon zehn Kilometer von Assemini entfernt, in der Großstadt Cagliari, schwierig ist, Panadas zu finden, sei es in einem Restaurant, sei es in einem Pastificio (Geschäft, in dem frisch hergestellte Pasta verkauft wird). Sie stellte vor diesem Hintergrund eine interessante Idee vor: Es gibt in Cagliari (und in anderen größeren Städten) mittlerweile viel gastronomische Spezialangebote, Paninotheken, Sushibars, natürlich Pizzerien und in Cagliari seit kurzem auch eine Lasagneria. „Warum“, fragte Giugoni, „sollte es nicht auch eine Panaderia geben?“ Die Panada habe alle Voraussetzungen, auch Teil eines modernen, auch für junge Menschen interessanten Ernährungsangebots zu werden.

Es ist noch viel zu tun, um Sa Panada mehr Beachtung in der sardischen Küche zu geben. Die Veranstaltung in Assemini hat dazu den Startschuss gegeben. Wie Veronica Matta, die Organisatorin der Tagung, auf Ihrer Facebook-Seite ankündigt, wird es Nachfolgeveranstaltungen in den anderen beiden Panade-Orten geben.

Nachtrag

Auch wenn die Panadas nicht ganz einfach selbst herzustellen sind, soll niemand davon abgebracht werden, es zu probieren. Im Gegenteil. Ich selbst habe es für mein Kochbuch damals ausprobiert – geschmacklich durchaus erfolgreich, ästhetisch noch nicht wirklich befriedigend. Die Rezepte und die Zubereitungsart werden aus den oben eingefügten (italienischsprachigen) Videos schon einigermaßen deutlich. Das Grundrezept aus Assemini, wird auf dieser Website auch auf Deutsch vorgestellt.

Hier ist sie, die deutsche Videoanleitung Sa Panada di Assemini.

Und hier noch ein sehr interessanter Dokumentarfilm zu Sa Panada in italienischer Sprache.

Text und Bilder: C) Hans-Peter Bröckerhoff

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