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Newsletter März 2022

Liebe Freundinnen und Freunde der kulinarischen Welt Sardiniens!


Aus kulinarischer Sicht sind der Winter und das Frühjahr auf Sardinien besonders interessant und attraktiv, denn einige köstliche Produkte der sardischen Küche gibt es nur zu diesen Jahreszeiten. Für die Feinschmecker unter den Sardinienfreunden lohnt es sich deshalb, auch mal in dieser Zeit, außerhalb der üblichen Reiseperiode, auf die Insel zu kommen. Dann kann man nicht nur Gerichte vom wunderbar zarten sardischen Milchlamm probieren (dazu mehr im Oster-Newsletter), sondern auch Gerichte mit wildem Fenchel, wildem Spargel oder mit den stachligen sardischen Artischocken genießen.
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Der junge wilde Fenchel wächst am Fuß der vertrockneten Stängel von Vorjahr.
Wilder Fenchel wächst auf Sardinien fast überall an Wegrändern und auf Brachen. Früher haben viele Sarden dieses leckere, sehr intensiv schmeckende Wildgemüse gesammelt. Deshalb gibt es in der traditionellen Küche auch zahlreiche Rezepte mit wildem Fenchel. Das geschmorte Lamm mit dem aromatischen Gewächs und die Kichererbsen-Suppe, in die ebenfalls reichlich davon hinein kommt, habe ich schon vor längerer Zeit auf der Website vorgestellt. Jetzt sind noch zwei Rezepte hinzugekommen (siehe unten). Zum einen ist das die Zuppa di finocchio selvatico. Ich habe sie Brotauflauf mit wildem Fenchel genannt, weil wir im Deutschen unter Suppe etwas anders verstehen als im Italienischen (zuppa). In Italien (und auch in Sardinien) ist die zuppa eher ein Eintopf oder eben ein Auflauf. Und zum anderen das Rezept für Finocchietto verde, ein Likör, der aus dem Fenchel-Grün hergestellt wird und der meines Erachtens noch intensiver und klarer im Geschmack ist als der gelbe Finocchietto, der aus den Blüten des wilden Fenchels gemacht wird.
Übrigens: Ich weise bei den Gerichten mit wildem Fenchel (außer beim Likör) darauf hin, dass man den wilden auch durch normalen Gemüse-Fenchel ersetzen kann. Denn den jungen wilden Fenchel gibt es auf Sardinen nur im Winter und Frühjahr, also außerhalb der Hauptreisezeiten. Und zuhause im Norden bekommt man ihn gar nicht. Bei der Verwendung von Gemüsefenchel darauf achten, dass noch möglichst viel Fenchelgrün, also die fiedrigen Blätter, daran ist.
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Selbst gesammelter wilder Spargel schmeckt natürlich am besten.
Ein anderes Gemüse, das es nur im späten Winter und im Frühjahr gibt, ist der wilde Spargel. Er ist mittlerweile auf der Insel auch auf den Speisekarten vieler Restaurants und manchmal auch auf Märkten zu finden. Aber am schönsten ist es natürlich, ihn selbst zu sammeln. Zwei Jahre konnten wir wegen der Corona-Pandemie im Frühjahr nicht auf der Insel sein. Aber in diesem Jahr sind wir wieder auf Sammeltour gegangen. Die Ausbeute war nicht allzu groß, denn dort, wo wir früher immer reichlich wilden Spargel gefunden haben, trieben sich jetzt Wildschweine mit ihren Frischlingen herum, was uns dazu veranlasste, uns nicht allzu weit ins Gelände vorzuwagen. Es war deshalb am Ende nur eine gute Handvoll wilder Spargel. Aber der reichte für eine leckere Frittata. Und der Spaziergang auf dem Montiferru mit dem wunderbaren Ausblick vom Meer bis zum Gennargentu war auch ohne große Ausbeute ein Genuss für sich.
Wilder Spargel
Aus dem kleinen Bund Wildspargel, den das Bild oben zeigt, wurde diese köstliche Frittata.
Ein weiteres Gemüse, welches den Speiseplan auf Sardinien im Winter und Frühjahr bestimmt ist die Artischocke. Die kleine stachelige Sorte Carciofo spinoso di Sardegna gilt nicht nur in Sardinien als eine der besten und aromatischten Artischocken-Sorten überhaupt. Leider sind die leckeren sardischen Artischocken zuhause im Norden nur selten zu bekommen. Und geradezu traurig ist es, dass man jetzt, da die Carciofi-Saison hier auf der Insel langsam zu Ende geht, noch immer viele nicht abgeerntete Felder sieht. Dass die Bauern ihre Artischocken zu Schleuderpreisen abgeben müssen, um überhaupt Einnahmen zu haben, ist mehr als nur ärgerlich. Eine Bäuerin mit Hofladen hier in Cabras erzählte auf die verwunderte Nachfrage, ob die Artischocken (schöne große) tatsächlich nur 30 Cent pro Stück kosten, dass der Großhändler sogar nur 5 Cent pro Artischocke bezahlt hätte. Ich denke, da läuft etwas richtig falsch.
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Ein Artischocken-Feld auf der Halbinsel Sinis Ende März. Dass es noch abgeerntet wird, ist eher unwahrscheinlich.
Immer besser läuft es dagegen in einem anderen Bereich der sardischen Landwirtschaft, nämlich bei den Produzenten von Olivenöl. Hier wächst die Qualität des Öls seit Längerem stetig an. Woran das liegt, habe ich im Interview mit Pietro Paolo Arca erfahren (siehe unten). Arca ist einer der versiertesten Olivenöl-Experten auf Sardinien und verdeutlicht plastisch, wie sich der Sektor auf der Insel professionalisiert hat und welche Aufgaben noch anstehen. Interessanterweise gab es auf das Interview auch ein paar kritische Reaktionen. Offenbar haben manche Sardinienfreunde noch eine recht romantische Sicht auf die Produktion des Olivenöls, bei der sie den familiären Anbau kleiner Mengen für den besten halten und moderne Technik in den Ölmühlen eher skeptisch sehen. Ich jedenfalls habe in dem Gespräch mit Pietro Paolo Arca gelernt, dass die Tendenz zu mehr Professionalisierung, größeren Anbauflächen und hochmoderner Extraktionstechnik dem sardischen Olivenöl sehr gut tut.
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Seit 2003 gibt es die geschützte Herkunftsbezeichnung (Denominazione d'Origine Protetta) Olio Extravergine di Sardegna DOP.
Eine romantische bzw. antiquierte Sicht scheint es auch noch auf die sardische Gastronomie zu geben. Wie ist sonst die Überschrift „Sardinien hat mehr zu bieten als primitive Kost“ zu erklären? Der Beitrag (siehe Bild unten) ist von der Nachrichten-Agentur dpa ihren Abonnenten zur Verfügung gestellt worden und in zahlreichen Zeitungen erschienen, darunter auch in der Wochenzeitung „Die Zeit“. Ich bin hin- und hergerissen. Einerseits ärgert es mich, dass der Autor offenbar die traditionelle sardische Küche als „primitive Kost“ ansieht. Andererseits kann es auch sein, dass der Begriff primitiv hier nicht diffamierend gemeint ist, sondern nur unglücklich für "ursprünglich-bäuerlich" gewählt wurde. Und auch, dass der Artikel ohne große Beschäftigung mit der sardischen Küche, allein auf der Basis eines kurzen Besuchs in Cagliari geschrieben wurde, finde ich ärgerlich. Aber vielleicht sollte ich darüber hinwegsehen, da mit diesem Beitrag das Thema sardische Küche und Gastronomie, wenn auch verkürzt, so doch an extrem viele Leser herangetragen wurde.
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Eine der vielen Veröffentlichungen des dpa-Artikels über die sardische Gastronomie.
Dass die sardische Gastronomie keine primitive Kost, sondern vielfältige und qualitativ hochwertige Gerichte bietet, wissen viele Sardinienfreunde aus eigener Erfahrung. Seit letztem Jahr (hier im Newsletter wurde darüber berichtet) gibt es die FaceBook-Gruppe „Essen gehen auf Sardinen“. Hier können die besonders positiven Erfahrungen mit der sardischen Gastronomie in Form von Restaurant-Empfehlungen an andere Sardinien-Reisende weitergegeben werden. Nach einer Winterpause ist die Gruppe wieder „aufgewacht“. Es gibt neue Empfehlungen und sie wächst wieder deutlich. Wenn jetzt mit der Osterzeit die Zahl der Sardinien-Reisenden wieder deutlich steigen wird, dürfte bald das tausendste Mitglied begrüßt werden können.
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Screenshot aus der FaceBook-Gruppe "Essen gehen auf Sardinen"
Wieder „aufgewacht“ – allerdings nicht aus der Winterpause, sondern aus der zweijährigen Corona-Pause – sind auch die kulinarischen Veranstaltungen auf der Insel. Es werden vermehrt wieder kulinarische Events angekündigt. Wir versuchen, möglichst viele dieser Veranstaltungen auf der Website anzukündigen. Für Sardinien-Reisende, die sich für solche Veranstaltungen interessieren, lohnt es sich also wieder, gelegentlich in unseren Veranstaltungskalender zu schauen.
Bossa Beer Fest
Screenshot aus dem Veranstaltungskalender auf www.sardinien-auf-den-tisch.eu
Ich wünsche Ihnen / Euch, liebe Freundinnen und Freunde des kulinarischen Sardinien, trotz der bedrückenden Geschehnisse in der Ukraine einen genussreichen Aufbruch in den Frühling. Möge dieser viel Sardinien auf Ihren / Euren Tisch bringen – ob zuhause oder während eines Besuchs auf der Insel.

Ihr / Euer
Hans-Peter Bröckerhoff

NEU AUF

SARDINIEN-AUF-DEN-TISCH.EU

finocchietto verde Sardegna

Likör vom wilden Fenchel – Finocchietto, ein Digestif mit wunderbar intensivem Fenchel-Geschmack

Wenn einem auf Sardinien ein selbst gemachter Likör angeboten wird, dann ist das meist ein Mirto. Manchmal wird allerdings statt dieses bekannten sardischen Myrten-Likörs auch ein Limoncello oder eine Crema di Limone oder einer der vielen anderen Liköre, die auf der Insel in vielen Familien noch immer selbst hergestellt werden. Das kann zum Beispiel auch ein Finocchietto sein. Finocchietto, Likör …

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Anthony Bourdain Sardinien

Anthony Bourdain Sardinien (No Reservations Sardinia) - ein kulinarischer Reisebericht der Extraklasse

Wieder im Netz anschaubar! Der amerikanische Starkoch und Journalist Anthony Bourdain, der 2018 verstorben ist, bereiste für seine viel beachtete Dokumentar-Reihe "No Reservation" auch Sardinien. Die Folge Anthony Bourdain Sardinien ist sogar eine ganz besondere, denn seine damaligen Frau, deren Vater Sarde ist, begleitete ihn und führte ihn in bei ihren sardischen Verwandten ein. Dadurch kann der berühmte Food-Journalist noch tiefer in die kulinarisch …

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Brotauflauf mit (wildem) Fenchel

Brotauflauf mit wildem Fenchel (alternativ mit Gemüse-Fenchel)

Der Brotauflauf mit wildem Fenchel, auf italienisch Zuppa di finocchio selvatico, ist ein Gericht für die kältere Jahreszeit. Das ist nicht nur deshalb so, weil er, heiß aus dem Backofen kommend, Leib und Seele wärmt, sondern vor allem, weil es den dafür benutzten jungen, wilden Fenchel nur in den kälteren Monaten gibt. Und auch der kultivierte Gemüse-Fenchel, den man zuhause …

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Interview Olivenöl auf Sardinien

Olivenöl auf Sardinien – „Heute gibt es das beste Öl, das je gemacht wurde.“

Was ist eigentlich das Besondere beim Olivenöl auf Sardinien? Gibt es ein typisch sardisches Öl? Und wie steht es heute mit der Qualität des auf Sardinien produzierten Olivenöls? Um diese und noch mehr Fragen geht es im Gespräch mit Pietro Paulo Arca. Der sardische Olivenöl-Experte hat sich sein ganzes Berufsleben hindurch mit dem Thema befasst und ist auch heute noch …

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Bottarga mit Artischocken (Carciofi sardi)

Bottarga mit Artischocken – eine überraschend gute Kombination

Bottarga mit Artischocken ist einer der überraschtesten und leckersten Gerichte der modernen sardischen Küche. Von November bis April, wenn in Sardinien die keinen, stacheligen Artischocken geerntet werden, kommt dieses Bottarga- (Buttariga-)Gericht oft auf den Tisch. Artischocken und auch Stangensellerie ergänzen sich bestens mit der Bottarga, dem Rogen der Meeräsche. Es entsteht eine Kombination, wie sie besser nicht sein könnte. Im Winter verwendet man …

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MENÜ DES MONATS

Zutaten gefüllte Sardinen
Das sind die Zutaten für ein sehr ungewöhnliches Gericht, das dieses Mal als Hauptgericht vorgeschlagen wird. Hier werden Fisch und Käse miteinander verbunden werden.

Antipasto / Vorspeise

Cozze fritte – frittierte Miesmuscheln

Cozze fritte – frittierte Miesmuscheln

Obwohl dieses Gericht ein bisschen aufwändig in der Zubereitung ist, lohnt sich die Arbeit, vor allem, wenn man Muscheln einmal auf eine andere als die übliche Art probieren will. Zutaten (für 4 Personen) 750 g Miesmuscheln 100 g Mehl 1 Eiweiß 50 ml Wasser 50 ml Weißwein Olivenöl Öl zum Frittieren (Sonnenblumen-, Erdnuss- oder sonstiges Planzen-Öl) Salz Zubereitung Die Muscheln waschen und den …

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Primo piatto / Erster Gang

Spaghetti alle Arselle (Vongole veraci) – die sardische Version der leckeren Muschelpasta

Spaghetti alle Arselle (Vongole veraci) – die sardische Version der leckeren Muschelpasta

Die bei den Sarden sehr beliebten Arselle (siehe auch das Rezept Fregola mit Arselle) werden gerne auch mit Spaghetti oder Linguine gegessen. Diese Pastasorten eignen sich besonders gut, weil sie den feinen Sud aufnehmen und so das ganze Gericht zu einem intensiven Geschmackserlebnis machen. Arselle werden in Sardinien eigentlich die Muscheln der einheimischen Sorte Vongola verace mediterranea (Tapes decussatus) genannt. Da diese …

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Secondo piatto / Hauptgang

Sardine ripiene di Pecorino sardo – Sardinen gefüllt mit Pecorino

Sardine ripiene di Pecorino sardo – Sardinen gefüllt mit Pecorino

Die Kombination aus Fisch und Käse scheint auf den ersten Blick sehr gewagt, ist aber ein interessantes Geschmackserlebnis. Sardinen gefüllt mit Pecorino ist ein Rezept, in dem die Fische erst mit Käse gefüllt und dann frittiert werden. Die so zubereiteten Fische eignen sich auch gut als kalte Vorspeise.  Sardinen spielen, anders als der Name vermuten lässt, in der sardischen Küche …

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Dolci / Dessert

Zum Abschluss gibt es frische Ricotta mit Honig. Das ist eine sehr schmackhafte Kombination. Und wenn es dann auch noch ein typisch sardisches Plätzchen, wie hier auf dem Foto Amaretto di Oristano, dazu gibt, ist der sardische Nachtisch komplett.
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