Casu axedu und Viscidu sind zwei Varianten eines auf Sardinien typischen Hirtenkäses. Er wird seit Jahrhunderten vom Schäfer direkt nach dem Melken aus Rohmilch hergestellt. Die erste Variante, der Casu axedu wird frisch verzehrt oder verbraucht. Die zweite Variante, der Viscidu, wird getrocknet und mit Salz haltbar gemacht. Er wird vor allem als Zutat in der traditionellen sardischen Küche eingesetzt.
Zunächst zum Casu axedu: Nach der Dicklegung der Milch (Schafs- oder Ziegenmilch oder eine Mischung aus beiden) wird der Käsebruch in unregelmäßige Blöcke von etwa 10-15 cm Länge und 3-4 cm Dicke geschnitten und für bis zu 24 Stunden in der Molke gelassen. Dank der in der Rohmilch natürlich vorhandenen Mikroorganismen säuert er dabei spontan. Daher kommt auch der sardische Name „Casu axedu“ (saurer Käse), der aber nur einer von vielen Namen ist, die in den verschiedenen Regionen Sardiniens für diesen Käse existieren. Er wird auch casu ageru, casu agedu, frue, fruhe, frughe, frua, preta, piota, casadu, cagiadda, latte cazadu, latte callau, callau axedu oder cagliata acida genannt.
Der Casu axedu oder Frue (einer der häufiger genutzten anderen Namen) ist eines der besonders originellen und traditionellen Milchprodukte Sardiniens. Mit der zunehmenden Verlagerung der Käseproduktion vom Schäfer zu den Käsereien trat es ein wenig in den Hintergrund. Zum Glück produzieren heute einige kleine, handwerklich arbeitende Käsereien den Casu axedu wieder, sodass er auch im Käsehandel und in den Supermärkten Sardiniens häufiger zu finden ist. Bei der Produktion für den Handel wird allerdings oft pasteurisierte Milch eingesetzt. Dabei wird dann ein sogenannter Starter benötigt, um die Fermentierung in Gang zu setzen.
Casu axedu wird traditionell frisch gegessen. Manchmal wird er auch „Frühstück des Hirten“ genannt. In Molke eingelegt ist er für einige Tage haltbar und wird hauptsächlich pur gegessen (bei traditionellen Essen zum Beispiel als Vorspeise mit etwas Pistoccu oder Pane carasau). Aber auch in der traditionellen Küche wird er als Zutat eingesetzt. Um ihn länger haltbar zu machen, wird er getrocknet und gesalzen und dann in einer kräftigen Salzlake oder unter trockenem Salz für längere Zeit konserviert. Dann heißt der Käse Viscidu (in der Ogliastra) oder Merca (in der Gegend von Nuoro). Oder er hat, je nach Gegend, eine andere Bezeichnung wie etwa cas‘e fitta, fiscidu, friscidu, ischidu, bischidu, vischidale.
Viscidu wird bei der Zubereitung von Suppen eingesetzt oder in anderen traditionellen Gerichten, in der Ogliastra zum Beispiel für eine Variante der berühmten Culurgiones ogliastrini. Da es den Viscidu normalerweise zuhause im Norden nicht zu kaufen gibt, kann man gegebenenfalls Feta als Ersatz wählen. So etwa bei der Minestra di Viscidu bzw. di Merca (siehe dazu das Rezept auf dieser Website). Auch mit Feta zubereitet schmeckt diese traditionelle Suppe aus dem Inselinneren gut. Denn der griechische Schafskäse, der auch oft Hirtenkäse genannt wird, ist in Konsistenz und Geschmack dem Viscidu recht ähnlich.
Wie Jogurt oder Kefir sind Casu axedu und Viscidu fermentierte, also aus geronnener Milch gewonnene Milchprodukte, in der Konsistenz und in der Nutzung gleichen sie jedoch eher einem Frischkäse. Ein anderes aus Schafs- oder Ziegenmilch traditionell hergestelltes, fermentiertes Milchprodukt auf Sardinien ist der Joddu, der sardische Jogurt. Dieser ist allerdings leider nur noch selten zu finden. Es wäre schön, wenn er wie der Casu axedu auch eine kleine Renaissance erleben würde.
Casu axedu und Viscidu selber herstellen
Das Verfahren zur Herstellung von Casu axedu und Viscidu ist eigentlich recht einfach. Dazu braucht man möglichst frische Ziegen- oder Schafsmilch und Lab. Die Milch wird auf eine Temperatur zwischen 35 und 37 Grad erwärmt. Dann wird Lab (von der Ziege oder vom Schaf oder das handelsübliche Kalbslab) und – wenn man den Casu axedu zum ersten Mal herstellt – etwas Jogurt (am besten geeignet ist Ziegenjoghurt) dazu gegeben. Beim zweiten Mal kann man statt Jogurt auch etwas Molke aus einem vorherigen Casu axedu hinzufügen.
Die Dicklegung dauert zwischen 8 und 15 Minuten, während für die Aushärtung des Bruchs nochmals 4-5 Stunden nötig sind. Wenn die Molke im Inneren des Behälters auszutreten beginnt, wird der Käsebruch in unregelmäßige, längliche Stücke von 150 – 300 Gramm geschnitten. Diese vor dem Verzehr etwa 24 Stunden ruhen lassen. Fertig ist der Casu axedu bzw. die Frue.
Casu axedu eignet sich gut zum Frühstück oder als Nachmittagssnack, etwa als Ersatz für Joghurt. In der der Ogliastra ist es vor allem im Sommer nicht unüblich, zum Mittag- oder Abendessen nur casu axedu und pistoccu zu essen, vielleicht begleitet von einem Glas Rotwein. Bei aufwändigeren Mahlzeiten wird der casu axedu normalerweise als zweiter Gang gegessen, oder er ist Bestandteil einer Auswahl von Vorspeisen.
Um Viscidu herzustellen, werden die Stücke Casu axedu auf ein feines Gitter oder eine Bastmatte gelegt, um die Molke ablaufen zu lassen und 24 Stunden lang getrocknet. Anschließend werden die trockenen Blöcke mit feinem Salz bestreut und nochmals 48 Stunden ruhen gelassen, damit den Blöcken die Feuchtigkeit entzogen wird. Dann werden die Blöcke umgedreht und ie Prozedur nochmals wiederholt. Schließlich werden die Stücke gewaschen und in eine kräftige Salzlake gelegt, wo sie über Monate aufbewahrt werden können. Vor dem Verbrauch, zum Beispiel als Zutat für die Minestra di Viscidu oder bei der Herstellung der Culurgiones, müssen die Stücke gründlich vom Salz befreit werden. Dazu legt man sie für einige Minuten in klares Wasser und spült sie danach ab.
Das folgende Video zeigt die Herstellung sehr anschaulich. Die Erklärungen sind zwar auf Italienisch, sie entsprechen aber der obigen Beschreibung. Die Mengenangaben sind auf Deutsch.
Es wäre schön, wenn Casu axedu und Viscidu (oder wie auch immer die Köstlichkeiten konkret genannt werden) auch nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz importiert würden. Schließlich werden die wenigsten Liebhaber der sardischen Küche sich an die Herstellung dieser sardischen Milchprodukte wagen. Außerdem schmecken diese Käse sicherlich dann am besten, wenn sie aus der Milch sardischer Schafe oder Ziegen hergestellt wurden.
Text und Fotos: Hans-Peter Bröckerhoff
Aufmacherfoto: © Agenzia Laore, © Regione Autonoma della
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