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Das neue Kochbuch ISOLA SARDA – schön gemacht, aber nur bedingt sardisch

Wie erfreulich, dachte ich, noch ein deutschsprachiges Buch zur Küche Sardiniens. So wird die traditionsreiche und authentische Küche „meiner“ Insel noch bekannter. Das Kochbuch ISOLA SARDA – REZEPTE UND GESCHICHTEN AUS SARDINIEN ist im Oktober 2020 erschienen. Es ist die deutsche Übersetzung eines 2019 in England erschienen Buches mit dem Titel „Bitter Honey: Recipes and Stories from the Island of Sardinia“. Ich ließ mir sofort ein Rezensionsexemplar schicken.

Wenn man es in der Hand hält und durchblättert sieht man ein ein wirklich schön gemachtes, sehr persönliches Buch über die Begegnung einer jungen englischen Köchin mit der Küche Sardiniens. Es enthält neben zahlreichen Rezepten auch noch Texte zur sardischen Küche allgemein, kleine Geschichten und einige Hinweise zu Produkten und Zubereitungsarten. Doch wenn man genauer hinschaut wird deutlich: Wer gerne neue mediterrane Rezepte kennenlernt und in reich bebilderten und sehr schön gestalteten Kochbüchern schmökert, wird an diesem Buch seine Freude haben. Für diejenigen aber, die einen wirklichen Einblick in die sardische Küche bekommen möchten, ist das Buch nur bedingt geeignet. Warum das so ist, soll im Folgenden beschrieben werden.

Eines der sehr schönen Fotos im Buch, die zum Teil in dem alten, zur Herberge ausgebauten Bauernhof Domus Antiga in Gergei in Inselinneren aufgenommen wurden.

Doch zunächst eine Vorbemerkung: Es ist sicherlich nicht einfach, ein Buch zu besprechen, wenn man, wie ich, selbst auch eines zum Thema geschrieben hat („Die Küche Sardiniens“, zurzeit vergriffen). Denn der eigene starke Bezug zum Thema, in diesem Fall zur sardischen Küche, kann dazu führen, dem Buch entweder besonders positiv oder besonders kritisch zu begegnen. Ich will versuchen, beides zu vermeiden und einigermaßen ausgewogen zu beschreiben, was das neue Buch einem an der Küche Sardiniens interessierten LeserIn bietet.

Ein sehr persönliches Buch

Doppelseite aus dem Buch mit der Autorin gleich auf zwei Bildern. Insgesamt finden sich 17 Fotografien der Autorin im Buch. Dabei sind die Fotos, die nur ihre Hände bei der Zubereitung oder Präsentation von Speisen zeigen, nicht mitgerechnet. Auch das deutet darauf hin, dass dieses Buch ein sehr persönliches Kochbuch ist.

Das Kochbuch Isola Sarda lebt von den ganz persönlichen Begegnungen der Autorin mit der sardischen Küche oder besser gesagt: mit Sardinien und dem Kochen und Essen auf der Insel. Sie ist, wie man erfährt, der Liebe wegen vor drei Jahren nach Sardinien gekommen. Dort hat sie neue, echt sardische Gerichte kennengelernt und einige davon auch in dem Buch verarbeitet. Aber sie hat offensichtlich vor allem ihre kulinarischen Vorlieben mitgebracht und diese mehr oder weniger mit kulinarischen Aspekten der Insel verbunden. Herausgekommen sind dabei kreative Neuschöpfungen und Gerichte nach bestehenden (nicht sardischen) Rezepten, denen sie ihre persönliche, vermeintlich sardische Note gegeben hat.

Das ist ein Teil der Presseinformationen, die der Verlag mit dem Rezensions-Exemplar versandt hat. Die wirklich gut gelungenen Fotos zeigen, dass im Buch viel Leckeres vorgestellt wird. Nur sind von den neun Gerichten, die hier gezeigt werden, leider nur drei wirklich sardisch. Es sind oben rechts die Linguine Bottarga Vongole, in der mittleren Reihe das Pane frattau (hier, ein wenig unglücklich „Eier mit Tomatensoße und Notenpapierbrot“ genannt) und in der letzten Reihe der Fisch mit Kartoffeln, Tomaten und Vernaccia. Dieses Missverhältnis zwischen authentisch sardischen Gerichten und kreativen Eigenschöpfungen bzw. Variationen von Rezepten aus anderen italienischen Regionen oder anderer Herkunft findet sich leider auch im gesamten Buch wieder.

Leider machen die wirklich sardischen Gerichte nur gut ein Drittel aller vorgestellten Rezepte aus. Sie sind auch relativ willkürlich ausgewählt (vielleicht, weil die Autorin ihnen eher zufällig begegnet ist oder sie ihr besonders gefallen haben). So findet man zum Beispiel im Buch erfreulicher Weise die Trofie alla Carlofortina, ein sehr leckeres Gericht aus dem äußersten Südwesten der Insel, das die sardische und die ligurische Regionalküchen miteinander vereint, in sardischen Kochbüchern jedoch oft nicht beachtet wird. Und auch das vielleicht berühmteste sardische Pasta-Gericht, die Malloreddus alla Campidanese, wird vorgestellt, ebenso die berühmten Culurgiones mit Kartoffelfüllung – allerdings unverständlicher Weise mit einem Ei in der Füllung, das in das Rezept nicht hinein gehört.

Andererseits aber findet man viele sehr typische und prägende Gerichte der Insel nicht im Buch. Es fehlen zum Beispiel die für die Gallura so typische Zuppa Gallurese oder auch die Brotsuppe aus dem Süden der Insel mit dem wohlklingenden Namen Mazzamurru. Man findet kein einziges Lammrezept, obwohl die Lammgerichte besonders typisch und prägend für die Inselküche sind (kein Wunder bei mehr als drei Millionen Schafen). Auch Rindfleisch- und Wildgerichte sucht man vergebens. Man findet auch kein Rezept mit der für Sardinien so wichtigen und typischen Meeräsche, obwohl dieser Fisch vor allem die Küche der Gegend um Oristano prägt, wo die Autorin ihre zweite Heimat gefunden hat.

Kein Einblick in die Breite und Vielfalt der sardischen Küche

Insgesamt spiegelt, so scheint es jedenfalls, die Auswahl der Rezepte stark den persönlichen Geschmack der Autorin (offenbar Salat, Gemüse, Pasta) wider und nicht die volle Breite und Vielfalt der sardischen Küche. Es gibt nur acht Fleischgerichte, obwohl die sardische Küche bekanntermaßen vor allem eine Fleischküche ist und eine reiche Auswahl an Fleischgerichten bietet. Von den acht Rezepten sind dann auch noch vier Geflügelgerichte, die allesamt nicht der sardischen Küche entstammen. Unter den ebenfalls nur acht vorgestellten Fischgerichten sind zwar fünf echt sardische Gerichte, aber auch eines, das nicht nur nicht sardisch ist, sondern fast schon „anti“-sardisch. Marinierter (gemeint ist wohl gebeizter) Lachs hat nun mal gar nichts mit der sardischen Küche zu tun.

Ein Salat, der sicherlich lecker ist und bei jungem großstädtischem Publikum wahrscheinlich besonders gut ankommt. Aber was soll der in einem Buch über die sardische Küche? So würde in einem sardischen Haushalt nie ein Salat zusammengestellt und angerichtet. Das Rezept ist eine reine kreative Schöpfung der Autorin.

Salat- und Gemüsegerichte findet man hingegen im Buch reichlich. Allerdings sind auch hier nur wenige davon typisch sardisch, genauso wie bei den ebenfalls reichlich vorhandenen Pasta- und Reis-Gerichten. Ein Beispiel: „Linguine mit Zitrone, Basilikum, Pecorino und Mascarpone.“ Letitia Clark schreibt dazu selbst: „Das Rezept ist ein schamloses Plagiat von Nigellas (gemeint ist Nigella Lawson, der Autor) berühmten zitronigen Linguine.“ Dass dieses Gericht ihrem sardischen Freund trotz der absolut unsardischen Zutaten wie Butter, Crème double und Mascarpone gut schmeckte, als sie es ihm einmal zubereitete, macht das Gericht noch lange nicht sardisch. Es hat in einem Buch mit sardischen Rezepten einfach nichts zu suchen.

Mascarpone ist ein gutes Stichwort. Diese für Sardinien absolut untypische, traditionell nicht eingesetzte Zutat mag die Autorin sehr gerne. Sie gibt diesen fettigen Frischkäse an viele Gerichte und man fragt sich, wenn man die sardische Küche einigermaßen kennt, warum. Sie empfiehlt sogar, einen Löffel Mascarpone an die Tomatensoße zu geben. Dass dann beim Nachtisch auch das Tiramisu vorgestellt wird, ist vor diesem Hintergrund gar nicht mehr so verwunderlich aber im Sinne des Buchtitels dennoch falsch.

Die Bedeutung regionaler Küchen in Italien vermutlich nicht bekannt

Natürlich wird Tiramisu auch auf Sardinien gerne gegessen, aber es bleibt deshalb doch ein Gericht aus dem Friaul. Es ist heute so beliebt, dass es zu einem national und sogar international gerne gegessenen Gericht geworden ist – aber dadurch nicht einfach auch zu einem sardischen. Man stelle sich vor, man würde in einem Buch über die hessische Küche die Rote Grütze finden. Man würde doch nur den Kopf schütteln, weil die Rote Grütze, zwar in ganz Deutschland gerne gegessen wird, aber dennoch ein norddeutsches Rezept bleibt und nicht zum hessischen wird, wenn man es in Frankfurt zubereitet.

Auszug Kochbuch Isola Sarda
Das ist ein gutes Beispiel für ein offenbar großes Missverständnis der Autorin in Bezug auf die sardische Küche. Dieser Kuchen gehört nicht zur sardischen Küchentradition, ist in keinem sardischen Kochbuch zu finden und spielt auch in der heutigen Küchenpraxis auf der Insel keine Rolle. Ich habe extra nochmals in sardischen Kochbüchern recherchiert und auch sardische Freunde gefragt. Jogurt wird beim backen traditionell nicht verwendet. Die sardische Küche kennt den Ricotta-Kuchen und einen Kuchen, in dem sehr junger, leicht säuerlicher Käse verwendet wird. Wahrscheinlich wird heute auch auf Sardinien hier und da ein Joghurtkuchen gebacken, so wie er auf dem italienischen Festland bekannt ist. Und wahrscheinlich ist die Autorin auf jemanden gestoßen, der oder die diesen italienischen aber eben nicht sardischen Kuchen backt, oder sie hat das Rezept selbst mit auf die Insel gebracht. Auf jeden Fall fehlt hier offenbar das Bewusstsein für die Regionalität der italienischen Küche und dafür, was wirklich original sardisch ist und was nicht.

Nicht nur beim Tiramisu kommt eine Vermutung auf, die die unbedarfte Aufnahme nichtsardischer Rezepte ins Buch erklären könnte. Diese Vermutung wird auch bei andere Rezepte genährt, zum Beispiel beim Vitello tonnato, einem Gerichts, das traditionell aus der piemonteser Küche stammt und heute gesamtitalienische und sogar internationale Bedeutung hat. Die Autorin hatte sich wahrscheinlich bis zu ihren Umzug nach Sardinien gar nicht so sehr mit der regionalen Ausprägung der italienischen Küche beschäftigt. Die starken neuen Eindrücke vermischten sich so mit dem, was sie als italienisch kannte und gerne mochte und kochte – ohne zu fragen, ob das, was sie dann ins Buch nahm, wirklich Teil der sardischen Küche war oder wenigstens zur sardischen Küche passte.

Die Küchentradition ist auch in einer lebendigen, sich verändernden regionalen Küche wichtig

Nun kann man sagen, was soll’s, die Rezepte sind interessant und führen zu leckeren mediterranen Gerichten. Ist es denn so wichtig, ob sie authentisch sardisch sind oder nicht? Die Frage muss sich wohl jeder selbst beantworten. Mir persönlich ist es wichtig, weil ich glaube, dass in den regionalen Küchen, in der sardischen insbesondere, so viel über Jahrhunderte gewachsene Erfahrung und soviel Charakter der Region steckt, dass die regionalen Küchen eine eigenständige Beachtung und Anerkennung verdienen.

Fregula oder italienisiert Fregola con Arselle (Vongole veraci) ist eines der typischsten und wichtigsten Rezepte der sardischen Küche. Hier werden „zwei große Fenchel-Knollen“ dazu gegeben. Der Charakter ändert sich also von einem Gericht mit feinem Meeresgeschmack zu einem Gemüsegericht mit Muschel-Zugabe. Nun könnte man sagen, das sei ein Beispiel für die lebendige Entwicklung der regionalen Küche. Aber dann müsste man das auch beschreiben. Hier wird einfach das nach persönlichen Vorstellungen veränderte Rezept ohne weiter Erklärung ins Buch gestellt. Das schafft nur Verwirrung und gibt Menschen, die die sardische Küche noch nicht kennen, einen falschen Eindruck.

Aber jede Küchentradition lebt und verändert sich, könnte man hier einwenden. Ja, das stimmt. Auch die traditionelle Küche Sardiniens ist natürlich lebendig und offen für neue Einflüsse. Aber ein wahlloses Abwandeln der Rezepte und eine Darstellung von Eigenkreationen oder Rezepten aus anderen Regionen als „Rezepte aus Sardinien“ (Untertitel des Buches), hat mit dieser lebendigen Entwicklung der Küchentradition nichts zu tun.

Das Kochbuch ISOLA SARDA – interessant für diejenigen, denen authentische Regionalküche nicht wichtig ist

Wer das mit der authentischen Regionalküche nicht so eng sieht, liest und nutzt dieses Buch sicher mit Genuss. Denn die Autorin ist Profi und stellt deshalb keine Rezepte vor, die, wie bei manchen „Reise“-Kochbüchern durchaus der Fall, beim Nachkochen nicht funktionieren. Die vorgestellten Rezepte scheinen zudem allesamt interessant und lecker. Und ein wenig erfährt man auch über Sardinien und seine Küche. Denn Letitia Clark gibt durchaus auch Einblicke in die kulinarische Welt Sardiniens, besonders in ihren Geschichten und den Beschreibungen der Zutaten und Verarbeitungsweisen.

Wenn wenigstens bei den Rezepten immer deutlich gemacht worden wäre, welches Rezept sardisch ist und welches nicht. Dann bestünde nicht die Gefahr, dass ein teilweise falscher Eindruck von der sardischen Küche erzeugt wird. Aber so, wie das Kochbuch „ISOLA SARDA“ daher kommt, führt es meiner Meinung doch arg zu Verwirrung und falschen Vorstellungen über die sardische Küche – zumindest bei denjenigen, die bisher noch nicht viel über die authentische Küche Sardiniens wissen.

Was hat Campari in eine Kochbuch Isola Sarda mit Rezepten aus Sardinien zu suchen?
Zum Abschuss noch ein besonders krasses Beispiel: Was hat Campari Soda mit der sardischen Küche zu tun? Absolut nichts! Und was soll diese prominente Präsentation eines Markenprodukts hier und auch nochmals an anderen Stelle des Buchs? (Campari wird sogar auch noch als Zutat in einer (nicht sardischen) Süßspeise verwendet.) Vermutlich ist auch hier das fehlende oder zumindest mangelhafte Bewusstsein der Autorin für den Unterschied zwischen italienischer und sardischer Küche die Erklärung: Man trinkt auch auf Sardinien den aus Mailand stammenden Aperitif Campari. Sie mag das Getränk, wie sie selbst schreibt, besonders gerne. Sie lebt auf Sardinien. Also nimmt sie es in ein Buch über die sardische Küche.

Text: c) Hans-Peter Bröckerhoff

Fotos: hpb (Aufmacher), Auszüge aus dem Buch, Isola Sarda – Rezepte und Geschichten aus Sardinien, Verlag Ars vivendi


Die Buchdaten:

Clark, Letitia, Isola Sarda – Rezepte und Geschichten aus Sardinien Verlag: ars vivendi, ISBN 978-3-7472-0205-0, 256 Seiten, Hardcover mit Lesebändchen, 26,00 EUR(D), 26,90 EUR(A) 

Dier Autorin:

Die passionierte Köchin Letitia Clark arbeitete in Londons Toprestaurants, ehe sie 2017 mit ihrem damaligen sardischen Partner in dessen Heimat auswanderte. Hier lebt sie auf einem kleinen Bauernhof und widmet sich ganz dem Schreiben, Malen und Kochen. 

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5 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Hans-Peter Bröckerhoff,

    ich bedanke mich von Herzen, dass Sie sich die große Mühe machen als Nicht-Italiener sich wirklich intensiv und fachlich mit einer fremden Kultur (und ja, das ist Italien auch im Jahr 2022 immer noch) zu beschäftigen und eine für uns Italiener bedeutsame Klarheit in dem ganzen unsinnigen ITALO-Gewusel reinzubringen. Sie haben so gut erklärt, was der Unterschied zwischen Authentizität und Variationen sind. Es gibt eben viele Variationen eines authentischen Gerichts, alle sind authentisch und es gibt nur wenige Gerichte, die ganz klar reglementiert sind. Das heißt aber noch lange nicht, dass jedes Gericht, das in Italien gegessen wird, ein authentisches Gericht einer Region ist. Ich würde mir wünschen, es würden nur noch Fachleute, die wirkliches Interesse an unserer italienischen Kultur haben, über Italien schreiben. Denn so einfach wie man glaubt, ist unsere Kultur nun mal nicht. Sie sind eine Bereicherung für unsere Kulturvermittlung, deshalb noch mal von Herzen ein RIESEN Dankeschön!

    Grüße von einer italienischen Kochbuchautorin, die seit Jahren versucht Klarheit über unsere Kultur zu schaffen, aber von Jahr zu Jahr immer mehr verzweifelt…

  2. Hallo Herr Bröckerhoff,
    Ich verstehe Ihren Standpunkt zwar, bin aber anderer Ansicht in diesem Fall. Zunächst war ich skeptisch, ob eine Britin von außen kommend, der Materie gerecht wird. Ich kam dann ebenfalls zu dem Schluss wie Frau Biermann, dass sie einen guten Ansatz gefunden hat. Sie schildert nachvollziehbar, dass sie verschiedene „authentische“ Rezepte auf der Insel antraf und jeder der Ansicht war, die eigene Variante sei nun wirklich die einzig authentische. Was tun? Sie hat dann die Essenz herausgezogen und zusätzlich Anpassungen vorgenommen, um die Rezepte für außersardische Köche anzupassen. Das ist so eine Sache mit dem Authentischen. Welche Instanz entscheidet das? Ich jedenfalls kann mit ihren Rezepten was anfangen und habe leckere Gerichte nach ihren Rezepten gekocht, die mir sardisch genug erschienen.
    Das zweite Problem ist zu entscheiden, was überhaupt sardisch ist. Alles, was auf der Insel gekocht wird oder nur das, was dort erfunden wurde? Ich fürchte, das wird schwierig, denn Sardinien ist auch ein Teil Italiens, und die italienische Küche schwappt natürlich dahin über und hat das auch früher schon getan. Sie sind da sehr puristisch. Glauben Sie mir, ich habe aktuell gerade auch wieder das Problem anlässlich der Rezension eines amerikanischen Kochbuchs über französische Küche. Ist Gazpacho französisch, weil er dort gekocht wird, oder Couscous in der Tajine oder Burrata? Mein erster Impuls war, das alles als unfranzösisch anzuprangern. Inzwischen habe ich an der Front aufgegeben, es gibt andere größere Probleme in dem Buch. Ich bin dann drauf gestoßen, dass ein für mich uramerikanisches Gericht wie Mac‘n Cheese wahrscheinlich von Paul Bocuse erfunden wurde. In einer Zeit des Reisens und des regen kulturellen Austauschs kommt man mit dem Authentischen nicht mehr weit. Ganz entscheidend sind für mich die Produkte des jeweiligen Landes, was man auf Französisch terroir nennt. Die setzen einen Standard, und man kann am Besten von den Einheimischen abgucken, wie man damit umgeht. Das finde ich interessant und reizvoll, und es ist wunderbar, dass es inzwischen gute sardische Quellen in Deutschland gibt. Ist damit nicht schon ganz viel gewonnen? Das hat für mich etwas mit Wertschätzung des Anderen zu tun, und wenn ich das in Kochbüchern finde, bin ich froh. Bei Letitia kann man viel von dieser Wertschätzung spüren, weshalb meine eigene Rezension positiv ausgefallen ist.

    Viele Grüße von einer Co-Rezensentin, die sich mit den gleichen Fragen herumschlägt

    • Hallo Frau Thyll,

      schön, dass Sie sich hier zu Wort melden. Ich hatte Ihre Rezension bisher nicht gesehen, habe sie aber jetzt gefunden und gelesen. (Sie hätten sie in Ihrem Kommentar gern verlinken können, ich habe nichts gegen Links hier – wenn sie inhaltlicher Natur und nicht pure Werbung sind.)

      Glauben Sie mir, ich habe mir die Kritik an Letitia Clark Buch nicht leicht gemacht, sehr lange daran gefeilt, sie mit meiner Frau besprochen und nochmals darüber geschlafen. Ich wollte der jungen Köchin und Buchautorin nicht unrecht tun, zumal ich sie ja schon als sehr sympathische und Sardinien sehr zugetane Frau persönlich kennen gelernt hatte. Aber es sind nun mal fast zwei Drittel der von ihr vorgestellten Rezept nicht sardisch und die restlichen, sardischen Rezepte sind teils so verändert, wie es auf der Insel nie geschehen würde, weil es einfach dem Charakter der sardischen Küche nicht entspricht.

      Ich kann Ihnen und den anderen positiven Rezensenten nicht vorwerfen, dass sie das nicht erkennen. Die sardische Küche ist schließlich eine Nische, so speziell und „weit weg“, dass nur wenige Nichtsarden erkennen können, was wirklich sardisch ist und was nicht. Um so mehr Sorgfalt erwarte ich von denen, die über die sardische Küche schreiben und damit das Bild der sardischen Küche deutlich mit prägen. Das hat mich gerade gestern nochmals zu einer sehr kritischen Rezension veranlasst https://www.sardinien-auf-den-tisch.eu/das-sardinien-lesebuch-schrages-bild-von-der-sardischen-kuche-und-fehler-in-den-rezepten/ Hier ist die Autorin eine erfahrene Reisebuchautorin, die sich hätte deutlich intensiver mit der Regionalküche, über die sie schreibt auseinander setzten müssen.

      Bei Letitia mag das anders gewesen sein. Sie war, als sie das Buch schrieb, vielleicht ein wenig „blind vor Liebe“, zu ihrem damaligen sardischen Freund und dessen Familie und zu Sardinien und den neuen kulinarischen Genüssen, die sie dort erfahren hat. Und sie mag auch nicht gewusst haben, wie wichtig es ist, sich mit dem Charakter und den authentischen Elementen einer Regionalküche auseinander zu setzen. Für sie war, alles was sie in ihrer neuen Heimat vorfand, eben sardisch.

      Zur Problematik der Varianten, die Sie ansprechen, kann ich nur sagen, dass es darum in meiner obigen Rezension nicht geht. Ich weiß wohl, dass es bei vielen sardischen Rezepten nicht die eine originale Version gibt. Meiner Kritik ist nicht mit dem Hinweis auf den Streit um Varianten und die Essenz daraus und auch nicht mit der Anpassung für nichtsardische Köche zu begegnen. Denn erstens sind die meisten von Letitia vorgestellten Rezepte gar keine Varianten, sondern grundsätzlich nicht sardisch. Und auch die Abwandlungen im Grunde sardischer Rezepte sind oft nicht einfach mögliche Varianten, sondern krass „unsardische“ Abwandlungen. Das zu beurteilen, traue ich mir mittlerweile, nach jahrzehntelanger Erfahrung und jahrelanger theoretischer Beschäftigung mit der Materie, durchaus zu. Trotzdem, eben weil ich Letitia Clark auf keinen Fall Unrecht tun wollte, habe ich darüber zusätzlich mit mehreren sardischen Freunden geredet und absolut deutliche Antworten bekommen: „Das hat mit sardischer Küche nichts zu tun. Das würde in Sardinen niemand so machen!“

      Natürlich weiß ich, dass Sardinen auch im Bereich der Küche stark italianisiert ist. Einerseits gibt es viele Gerichte, die in anderen italienischen Regionen genauso oder doch ähnlich zubereitet werden, wie zum Beispiel das berühmte Fritto misto. Und anderseits werden auch typische Gerichte anderer Regionen in Sardinien gerne gekocht und gegessen wie etwa das Vitello tonnato. Erstere sind Bestandteil der sardischen Küche geworden oder schon immer gewesen, weil sie sich parallel entwickelt haben. Die zweite Kategorie aber bleibt der jeweiligen anderen Küchentradition zugeordnet. Das Vitello tonnato bleibt ein Teil der piemontesischen Küche und wird nicht dadurch sardisch, wenn es in Sardinien zubereitet wird.

      Über die Authentizität von Gerichten kann man manchmal in der Tat trefflich streiten. Aber dieser Streit ist nur produktiv und zielführend, wenn die Streitenden einigermaßen gut in der Materie, um die es geht, bewandert sind. Das ist übrigens nicht nur bei der Küchenthematik so. Es ist deshalb köstlich, Sarden dabei zuzuhören, wenn es darum geht, was denn jetzt die authentische Zubereitung ist und was nicht. Wenn aber mit der Materie wenig Vertraute sich auf einen solchen Streit einlassen, oder gar meinen sie wüssten es besser, kann das schnell peinlich enden. Noch schlimmer finde ich es allerdings, wenn man die Frage der Authentizität, weil sie teils nicht einfach zu beantworten ist, schlicht für unerheblich erklärt und damit der Beliebigkeit Tür und Tor öffnet.

      Es geht mir hier wirklich nicht um Purismus. Es geht mir um diese Beliebigkeit, die entsteht, wenn man das Buch von Letitia Clark, dass sich in Deutschland eindeutig als sardisches Kochbuch präsentiert, nicht kritisch betrachtet. Es ist für mich eine Geringschätzung der Sarden und ihrer Küche, wenn man es als egal ansieht, ob als sardisch deklarierte Gerichte auch wirklich sardisch sind, und wenn eindeutig nichtsardische Gerichte als sardische ausgegeben werden. Küche hat auch was mit Identität zu tun. Und die Identität einer Region und der Menschen dort zu beachten und zu achten, hat etwas mit Respekt zu tun. Den halte ich für sehr wichtig, auch wenn man sich dazu die Mühe machen muss, sich genauer mit der Materie, hier der sardischen Küche, zu beschäftigen.

      Die Frage der Authentizität beschäftigt mich auch schon lange. Denn darunter kann ja nicht ein starrer Traditionalismus oder eine Abschottung gegen Einflüsse von außen gemeint sein. Ich komme aber zu einem anderen Schluss als Sie. Gerade in Zeiten des Reisens und des Austausches gewinnt das Authentische an Bedeutung, bereichert das Leben und gibt Orientierung. Es wird allerdings auch immer schwieriger zu definieren, weil die Einflüsse von außen häufiger und schneller sind. Beispiel: Dass die paar McDonals-Filialen in Sardinien den Burger nicht zum Teil der sardischen Küche machen, ist wahrscheinlich unbestritten. Wenn aber der Trend junger Gastronomen auf der Insel, Edel-Burger mit sardischen Produkten anzubieten, sich länger hält und vielleicht der Burger mit Schafsfleisch zum Standardangebot in der sardischen Gastronomie wird und sogar zuhause oft zubereitet wird, ist der Schafs-Burger dann nicht Bestandteil der sardischen Küche geworden? Nicht ganz einfach zu beantworten.

      Ihr Ansatz über die heimischen Produkte zu gehen, ist sehr interessant. Denn traditionell haben sich die Regionalküchen ja stark durch das Lebensmittelangebot vor Ort definiert und entwickelt. In Bezug auf das Buch von Letitia Clark stärkt das Argument allerdings eher meine kritische Position. Ein Beispiel: Letitia gibt an mehrere Gerichte Mascarpone, sogar an Tomatensoße. Das hat bei mir und auch bei meinen sardischen Freunden nicht nur deshalb großes Befremden hervorgerufen, weil diese Zutat nicht zu den traditionellen Rezepten gehört. Mascarpone an sich ist absolut kein Bestandteil der sardischen Küche, er wurde und wird in Sardinien auch nicht produziert. Er ist einfach nur eine persönliche Vorliebe der Autorin, die wahrscheinlich denkt, das ist ein italienisches Produkt, dann wird es schon passen, oder die sich gar keine Gedanken macht.

      Es ist, wenn man die sardische Küche nicht näher kennt, wahrscheinlich schwer zu verstehen, warum ich das Buch so deutlich kritisiert habe. Es ist sehr attraktiv gestaltet, im positiven Sinne sehr persönlich geschrieben, die Autorin hat einen engen Bezug zu Sardinien und ist auch noch ausgebildete Köchin. Was will man mehr? Es muss halt auch inhaltlich stimmen! Das Ganze erinnert mich ein wenig an den Klassiker aus der Schule, wenn die Deutschaufsätze zurückgegeben werden: „Sehr guter Aufsatz, schön geschrieben, gut strukturiert, wundervolle Sprachbilder – nur leider weitgehend am gestellten Thema vorbei.“

      Ich habe mich natürlich gefragt, wie es dazu kommen konnte. Neben den oben schon angesprochenen Erklärungen sehe ich vor allen folgendes: Letitia wollte eigentlich gar kein sardisches Kochbuch im eigentlichen Sinne schreiben. Ihr Konzept war mehr, ihre persönlichen Erfahrungen und ihre von dem noch kurzen aber intensiven Sardinien-Abenteuer beeinflussten Rezepte vorzustellen. Ihr Verlag machte daraus schon mehr ein Sardinien-Kochbuch und der deutsch Verlage komplettierte den Eindruck dann, indem er auch den Titel noch in diese Richtung veränderte und vor allem das gesamte Marketing auf Sardinien-Kochbuch ausrichtete. So wurde ein Anspruch etabliert, der vom Buch gar nicht eingehalten werden konnte.

      Sie sehen an der Länge meiner Antwort, wie stark mich das Thema umtreibt. Ich glaube, es ist eine wichtige Diskussion und danke Ihnen auch deshalb nochmals für Ihren Beitrag.

  3. Dieser Text kritisiert Isola Sarda dafür, dass die vorgestellten Rezepte nur bedingt sardisch seien. Für mich ein Missverständnis, was vielleicht bei der Übersetzung des englischen Originaltitels anfängt. Bitter Honey: Recipes and Stories from the Island of Sardinia ist aus der Perspektive einer Britin geschrieben, die jetzt Teil einer sardischen Familie ist und selbst sagt, dass die Rezepte inspiriert von der sardischen Küche sind. Wann immer Letitia Rezepte abwandelt, ist das meines Empfindens nach transparent geschildert und es bereichert das Kochbuch, dass die Autorin ihre Persönlichkeit in die Küche einfließen lässt.

    • Der Kommentar unten ( TRACKBACK / PINGBACK) ist ein Auszug einer Rezension des Buches ISOLA SARDA auf der deutschsprachigen Seite https://charmingplaces.de:“Dieser Text kritisiert Isola Sarda dafür, dass die vorgestellten Rezepte nur bedingt sardisch seien. Für mich ein Missverständnis, was vielleicht bei der Übersetzung des englischen Originaltitels anfängt. Bitter Honey: Recipes and Stories from the Island of Sardinia ist aus der Perspektive einer Britin geschrieben, die jetzt Teil einer sardischen Familie ist und selbst sagt, dass die Rezepte inspiriert von der sardischen Küche sind. Wann immer Letitia Rezepte abwandelt, ist das meines Empfindens nach transparent geschildert und es bereichert das Kochbuch, dass die Autorin ihre Persönlichkeit in die Küche einfließen lässt.“

      Ich habe dort auf der Seite selbst auch einen Kommentar abgegeben, den ich hier auch als Antwort dokumentiere:

      „Werte Kollegin Lea Biermann,

      danke, dass Sie in Ihrer Rezension des Buches ISOLA SARDA auf die meinige auf https://www.sardinien-auf-den-tisch.eu verlinkt haben. Sie schreiben, die in meiner Rezension enthaltenen kritischen Bemerkungen zum Buch seien ein Missverständnis. Das ist leider ganz und gar nicht der Fall. Durch meine jahrzehntelange Arbeit als Journalist habe ich gelernt, dass gerade bei kritischen Urteilen eine sehr sorgfältige Beschäftigung mit der Materie nötig ist. Und als jemand, der seit vielen Jahren über die sardischen Küche schreibt, habe ich durchaus einen recht professionellen Blick auf die Thematik. Deshalb habe ich es mir mit der Kritik in der Rezension ganz und gar nicht leicht gemacht. Denn zum einen freue ich stets mich über neue Bücher zur sardischen Küche und zum anderen habe ich die Letitia Clark als sympathische und der Insel sehr zugetane junge Autorin persönlich kennengelernt. Ich hätte das Buch gerne allen an der sardischen Regionalküche interessierten Leserinnen und Leseren empfohlen. Aber das ging leider beim besten Willen nicht, weil die meisten Rezepte im Buch (deutlich mehr als die Hälfte) nicht sardisch sind. Das Buch enthält Rezepte aus anderen italienischen Regionen wie zum Beispiel das Vitello tonnato oder das Tiramisu, Eigenkreationen der Autorin und andere nicht aus Sardinien stammende Rezepte. Die wirklich sardischen Rezepte machen nur gut ein Drittel der vorgestellten Rezepte aus und sind zudem nicht repräsentativ für die Inselküche, sondern scheinen eher zufällig im Buch gelandet zu sein. Viele von denen sind auch noch deutlich abgewandelt.

      Die Passage, die Sie aus dem Vorwort als Beleg für mein „Missverständnis“ zitieren, untermauert Ihre These nicht. Es reicht nicht aus zu schreiben: „Dieses Buch will kein Kompendium echter sardische Küche sein.“ Niemand erwartet das von einem Buch über sardische Küche. Die Autorin schreibt dort auch, dass „jeder Sarde stolz auf seine regionale Küche ist, aber das Streben nach Authentizität beim Schreiben von Rezepten oft ein aussichtsloses Unterfangen ist.“ Daraus kann niemand schließen, dass nur ein kleiner Teil der Rezepte im Buch sardisch ist. Im Gegenteil, jeder wird denken, dass nach Authentizität gesucht, diese aber nicht immer erreicht wurde. Sie schreibt dort auch: „Kochbücher sind viel mehr als nur Bücher mit Rezepten. Sie sind Chroniken von Traditionen, Geschichten und Erinnerungen.“ Dies weist eindeutig auf ein Buch über die traditionelle sardische Küche hin, nicht auf ein Buch mit kreativen neuen Kreationen einer englischen Köchin, die auf Sardinien lebt. Dieser Widerspruch zwischen Ankündigung und realen Inhalten steht im Mittelpunkt meiner Kritik, die ich in der Rezension sehr ausführlich und mit vielen Beispielen begründe.

      Es kommt noch eines hinzu: In Deutschland wird das Buch eindeutig als Kochbuch mit sardischen Rezepten präsentiert. Der Titel und Untertitel lassen zweifellos ein Buch zur sardischen Küche erwarten (mit dem Haupttitel ISOLA SARDA noch mehr als der englische Titel BITTER HONEY) und auch die Informationen des Verlags für die Presse präsentieren das Buch auf die gleiche Weise. Es wird von „Rezepten Sardiniens“ gesprochen, der Begriff „sardische Küche“ verwendet und das Buch soll „eine Vielzahl ehrlicher und authentischer Rezepte“ enthalten. Ein potenzieller Leser, der sich für regionale Küche interessiert, muss denken, dass dies ein Buch mit echten sardischen Rezepten ist, was es aber weitgehend nicht ist.

      Ihrem Eindruck, dass die Autorin „transparent“ auf die Abwandlung von Rezepten, die Anleihen in anderen Regionalküchen oder auf eigen Kreationen hinweist, muss ich leider widersprechen. Bei den Rezepten wird meist nicht erklärt, ob es sich um ein traditionelles Gericht, eine eigene Kreation oder eine Adaption eines anderen, nicht sardischen Rezepts handelt. Aber vor allem: Nirgendwo wird klargestellt, dass das Buch ein persönliches Kochbuch mit Rezepten einer Köchin ist, die vorn Sardinieninspiriert ist. Wäre der Titel des Buches zum Beispiel „Letitia Clark trifft auf die sardischem Küche – Traditionen, Kreationen und Adaptionen“, würde ich das Buch nicht so sehr kritisieren, weil der Leser dann andere Erwartungen hätte. Aber mit einem solchen Titel, der den Fokus auf eine (noch?) recht unbekannte Autorin lenkt, würde sich das Buch sich natürlich nicht so gut verkaufen. Da täuscht der Verlag lieber ein Buch zur sardischen Küche vor.

      Es ist schade, dass ich das Buch so deutlich kritisieren musste. Denn es ist ansonsten sehr schön gemacht, enthält ja auch einige wirklich sardische Rezepte und gibt in der Einführung sowie in den Geschichten durchaus Einblicke in die kulinarische Welt der Insel. Aber ich konnte das Buch meinen Leserinnen und Lesern, die sich explizit für die sardische Küche interessieren, nicht uneingeschränkt empfehlen. Der Widerspruch zwischen der durch den Titel und die Werbung des Verlags erzeugten Erwartung, dass es sich um ein Kochbuch mit sardischen Rezepten handelt, und den wirklich vorgestellten Rezepten ist einfach zu groß.

      Mit kollegialen Grüßen
      Hans-Peter Bröckerhoff

      PS: Übrigens hat auch das Rezept, das Sie in Ihrer Rezension vorstellen, nichts mit der echten sardischen Küche zu tun. Soetwas würde in einem sardischen Haushalt normalerweise nicht auf den Tisch kommen. Schon bei den Zutaten Senf und Orange (im Zusammenhang mit Fleisch) würden sardische Hausfrauen (und auch die zunehmend vorhanden kochende sardischen Männer) verwundert den Kopf schütteln und das Rezept (obwohl eigentlich von der Engländerin Nigella Lawson stammt) wahrscheinlich nach Frankreich verorten. Dass Letitias Gastfamilie das Gericht gerne gegessen hat, ist verständlich, denn es ist bestimmt lecker. Aber das heißt doch nicht, dass es in ein sardisches Kochbuch gehört. Ich bereite seit langem auf Sardinien einmal im Jahr für eine große Runde sardischer Freunde ein Coq au vin nach einem Rezept von Wolfram Siebeck zu. Die sardischen Freunde sind stets begeistert. Aber weder dadurch und auch nicht dadurch, dass ich natürlich sardischen Wein, sardische Tomaten, sardischen Pancetta, sardische Kräuter und vor allem sardische Hähne verwende, wird das Gericht zu einem sardischen. Ich würde doch nie auf die Idee kommen, das Rezept auf meiner Seite „sardinien-auf-den-tisch“ zu veröffentlichen.“

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