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„Das Sardinien-Lesebuch“ – schräges Bild von der sardischen Küche und Fehler in den Rezepten

Ein deutschsprachiges Buch, das explizit typisch sardische Rezepte vorstellt, erweckt natürlich meine Aufmerksamkeit. Deshalb habe ich mir das Ende 2021 erschienene Buch „Das Sardinien-Lesebuch – Impressionen und Rezepte von der Insel der Traumstrände“ auch gleich bestellt, als ich beim Stöbern im Netz darauf gestoßen bin. 

Ein solches Buch gehört auf dieser Website vorgestellt – auch wenn es sich nicht im eigentlichen Sinne um ein sardisches Kochbuch oder einen kulinarischen Reiseführer handelt. Es ist eine Art persönliches Reisebuch, das sich aber zu einem Teil mit der kulinarischen Welt Sardiniens beschäftigt. Es handelt von verschiedenen Aspekten der Urlaubsinsel Sardinien, darunter auch von Inselküche. Und stellt dabei in jedem Kapitel ein sardisches Rezept vor. 

Ein schiefes Bild über die sardische Küche

Um es schon vorweg deutlich zu sagen: Meine freudige Erwartung wurde jäh enttäuscht. Je mehr ich mich mit dem Buch beschäftigte, desto stärker stieg Ärger in mir auf. Das Buch bietet leider nicht, wie erhofft, einen weiteren Zugang zu der immer noch wenig bekannten kulinarischen Welt Sardiniens. Sondern es vermittelt den Lesern ein eher schiefes Bild von der sardischen Küche und kann, wenn Leser die vorgestellten Rezepte nachkochen, sogar herbe Enttäuschungen provozieren. 

Warum dieses harte Urteil? Zum einen, weil die 20 Rezepte, die das Buch vorstellt, teils nicht typisch sardisch sind (eines hat sogar gar nichts mit der sardischen Küche zu tun) und weil sie zudem manchmal so fehlerhaft dargestellt sind, dass man sich fragen muss, ob die Autorin die Gerichte überhaupt ausprobiert hat, bevor sie sie ins Buch gestellt hat – oder sich zumindest intensiv mit ihnen beschäftigt hat. Zum anderen ist das Kapitel, das allgemein einen Überblick über die sardische Küche geben soll, voller Stereotype und falscher Informationen. Es gibt dem Leser keine einigermaßen stimmige Beschreibung der Inselküche.

Voller Stereotype und Fehler

Diese deutliche Kritik verlangt natürlich nach Belegen. Ich beginne mit dem achteinhalb-seitigen Kapitel „Das Geheimnis der Hundertjährigen – die Küche Sardiniens“. Das erweckt insgesamt den Eindruck, dass in Sardinien immer noch eine archaische Art der Speisenzubereitung vorherrsche. Über zwei lange Abschnitte wird von der Zubereitung von ganzen Tieren (Schafen, Schweinen, Kälbern) in einer Erdgrube („a carraxiu“) berichtet. Eine Zubereitungsart, über die man zwar immer wieder in Reiseführern lesen kann, die aber mit der heutigen Realität nicht (mehr) viel zu tun hat. Es gibt auch keine traditionellen Feste, die diese Zubereitungsart weiter pflegen. Zudem hatte diese Art, Fleisch zu garen auch früher wahrscheinlich gar nicht viel mit Romantik und Tradition zu tun, sondern mit Vorsicht. Denn, so hat man mir einmal erzählt, durch diese Zubereitungsart haben Viehdiebe vermieden, dass sie entdeckt wurden. Ein Grillfeuer hätte man halt schon von Weitem entdecken können. 

„Die gängige Zubereitungsart ist es, das Fleisch auf einen Wacholderzweig aufzuspießen und an der Glut duftender Macchia-Hölzer zu rösten.“ 

Das Sardinien-Lesebuch S. 13

Das Grillen von Fleisch war und ist auch heute noch sehr wichtig in der sardische Küche. Die Autorin geht darauf auch ein. Sie spricht zum Beispiel die „freilaufenden halbwilden Schweine, die sich im Herbst von Kastanien ernähren“ an und schreibt: „Die gängige Zubereitungsart ist es, das Fleisch auf einen Wacholderzweig aufzuspießen und an der Glut duftender Macchia-Hölzer zu rösten.“ Das klingt zwar sehr romantisch, hat aber mit der Realität nicht mehr viel zu tun. Denn abgesehen davon, dass es von den freilaufenden Schweinen nicht mehr viele gibt (schon wegen der Schweinepest) ist die gängige Zubereitungsart (besonders bei Milchschweinchen und Lämmern) die auf einem Eisenspieß, der von Hand oder einem kleinen elektrischen Motor vor oder über der Glut gedreht wird.  

„Typischerweise bereitet man“, fährt die Autorin fort, “auf diese Art „porcheddu“ zu – ein Spanferkel. Ausschlaggebend sind hierbei die würzenden Kräuter: „Salbei, Minze, Myrte, Rosmarin und Lorbeer verleihen dem Fleisch seinen einzigartigen Geschmack, …“ Sarden, die das lesen, würden nur noch den Kopf schütteln, denn die Beschreibung der Zubereitung des sardischen Milchschweinchens ist nicht nur romantisierend realitätsfern, sondern auch falsch. Es kommen keine würzenden Kräuter an das gegrillte porcheddu, nur Salz! Es wird nach dem Aufteilen und vor dem Servieren oft auf Myrtenblätter gelegt, aber das ist auch alles an zusätzlicher Aromatisierung. 

Die Mär von den gefährlichen Maden im Käse

Solche falschen Beschreibungen gibt es mehrere. Besonders krass ist die Behauptung, die Maden im Casu marzu (dem das Buch fast eineinhalb Textseiten widmet) seien gesundheitsschädlich. Man müsse sie deshalb gut zerkauen, wenn man den berühmten Käse isst, schreibt die die Autorin und behauptet fälschlicherweise (ohne dafür eine Quelle zu nennen): „Verschluckt man die Maden hingegen lebend, dann können sie Magen-und Darmwände anfressen, was schwere gesundheitliche Probleme nach sich ziehen kann.“ Was für ein Quatsch! Hat da ein verschmitzer Sarde der Autorin eine Schauergeschichte erzählt, und sie hat sie für bare Münze genommen?  

„Verschluckt man die Maden hingegen lebend, dann können sie Magen-und Darmwände anfressen, was schwere gesundheitliche Probleme nach sich ziehen kann.“ 

Das Sardinien-Lesebuch S. 16

Dass deshalb die EU die Herstellung und Handel mit Casu marzu untersagt habe, wie die Autorin schreibt, ist ebenfalls falsch. Erstens ist nur der Handel mit der Delikatesse untersagt und nicht die Produktion und der Verzehr. Deshalb wird Casu marzu normalerweise auch „verschenkt“ und nicht verkauft. Und zweitens ist der Handel mit dem „verdorbenen Käse“ nicht wegen einer vermeintlichen Gefährlichkeit der Maden, sondern aus Hygiene-Gründen verboten. Deshalb gibt es ja auch Bestrebungen, den Käse unter sterilen Bedingungen herzustellen, damit die Käsefliege keine schädlichen Keime mit auf den von ihr „geimpften“ Käse bringen kann.  

Ignoranz gegenüber der sardischen Fischküche

Ein weiteres Beispiel für das schiefe Bild, welche das Buch von der sardischen Küche vermittelt sei noch genannt: Es wird suggeriert, dass Fisch und Meeresfrüchte in der sardischen Küche keine nennenswerte Rolle spielten. Nachdem richtigerweise festgestellt wird, dass die sardische Küche besonders durch die Produkte von Landwirtschaft und Viehzucht geprägt ist, wird die durchaus auch wichtige und originäre Fischküche total heruntergespielt und ignoriert. Es wird noch die Bottarga und die Merca (gekochte Meeräsche) erwähnt und dann behauptet: „… die Zahl origineller Fischrezepte ist aus den schon genannten Gründen sehr begrenzt.“ Die sardische Fischküche wird dann im Kapitel auch gar nicht weiter behandelt. (Allerdings tauchen Fischgerichte im Kapitel über Alghero doch noch auf. Sie werden aber als eher unsardisch dargestellt, indem der Blick in die Speisekarte eines Restaurants wie folgt eingeleitet wird: „Von den traditionellen sardischen Gerichten keine Spur, stattdessen Fisch und Meeresfrüchte bis zum Abwinken.“) 

„… die Zahl origineller Fischrezepte ist aus den schon genannten Gründen sehr begrenzt.“ 

Das Sardinien-Lesebuch S. 11

Was wird man dazu wohl in Cagliari, Sant’Antioco, Carloforte, Oristano, Cabras, Bosa oder Alghero sagen? Überall in diesen Küstenorten und auch in vielen andern, gibt es sehr originelle, traditionell sardische Fischgerichte. Burrida, Cassola, Pilau di Calasetta, Tonno alla carlofortese, Frègula alle Arselle, Spigola alla Vernaccia di Oristano, Pisci a scabecciu, Triglie alla Vernaccia, Anguilla incassada, Aragosta alla Catalana … Das sind alles Beispiele für originär sardische Gerichte der sardischen Meeresküche. Aber nicht nur diese traditionellen Gerichte zeigen, dass das im Buch gezeichnete Bild nicht stimmt. In den letzten Jahrzehnten hat die Fischküche auf der ganzen Insel immer mehr an Bedeutung gewonnen. Gute Fischgerichte bekommt man heute durchaus auch in vielen Restaurants im Inland. 

Es gäbe noch einiges mehr zu korrigieren in dem kurzen Kapitel über die sardische Küche. Aber für die Untermauerung meiner kritischen Bewertung sollte das Gesagte ausreichen.

Die Kommentare zu den in „Das Sardinien-Lesebuch“ vorgestellten Rezepte

Noch kritikwürdiger als die generelle Beschreibung der sardischen Küche sind die vielen Fehler in den vorgestellten Rezepten. Ich habe mich dazu entschieden alle zu kommentieren, nicht weil ich besonders pingelig sein wollte, sondern weil sich so ein stimmiger Gesamteindruck ergibt. Außerdem hoffe ich, dass an der sardischen Küche interessierten Leser vielleicht auch durch die differenziert kritische Beschäftigung mit den Rezepten mehr über diese erfahren und somit einen Erkenntnisgewinn haben können.

Die fett gedruckten Rezepttitel sind original aus dem Buch entnommen.

Agnello con gombo – Lamm mit Okraschote – Das erste Rezept im Buch geht völlig am Thema vorbei. Dieses Lammgericht hat nichts mit Sardinien zu tun. Okra spielt auf der Insel keine Rolle und Korriandersaat und Kreutzkümmel dürften wohl in keinem sardischen Küchenschrank zu finden sein. Das vorgestellt Rezept kommt wahrscheinlich aus dem arabischen Raum oder aus Albanien, Bulgarien oder der Türkei. 

Amaretti sardi – sardische Amaretti – Eine der wichtigsten Gebäcksorten der Insel. Wird dort aber nicht mit Bittermandelöl wie in diesem Rezept beschrieben, sondern mit einem kleinen Anteil Bittermandeln zubereitet.

Spaghetti neri – schwarze Spaghetti mit Meeresfrüchten – Wird sicherlich in manchem sardischen Restaurant schon einmal angeboten, spielt aber in der traditionellen sardischen Küche allgemein keine Rolle.  

Crema bruciata – gebrannte Creme – Was hier beschrieben wird, ist nicht die Crema bruciata sondern die Crema catalana. Die wird auf der ganzen Insel und gerade in der Gegend um Alghero gerne zubereitet, ist aber keine originär sardische Nachspeise, sondern stammt aus Katalonien. Allerdings gibt es unter dem Namen „Crema bruciata“ sehr wohl eine sardische (wenn auch nur im Raum Alghero bekannte) Spezialität. Es ist ein ein mit Crema catalana gefülltes Blätterteigtörtchen.

So sieht die wirkliche Crema bruciata aus.

Fregola con zucchine e salsicce – sardische Pasta mit Zucchini und Bratwurst – Gehört nicht unbedingt zu den wirklich traditionellen Rezepten. Aber die Fregola wird zunehmend auch in Form solcher Rezepte auf den Tisch gebracht. Bestimmt sehr lecker!

Pane carasau – sardisches Brot – Das Brot gehört zu den typischsten Spezialitäten der Insel überhaupt. Das hier veröffentlichte Rezept führt aber nicht zum sardischen Pane Carasau, sondern zu einem sehr hefelastigen, doppelt gebacken Fladenbrot. Denn zum einen sieht es die gut achtfach größere Menge an Hefe vor als in den in Sardinen gebräuchlichen Rezepten (einen Würfel Hefe, also 42 g, statt 5 g). Und zum anderen „vergisst“ das Rezept zu beschreiben, dass der Teig sich beim ersten Backen zu einem Ballon aufpumpt und dass dieser dann (wenn er wieder in sich zusammengefallen ist, vorsichtig aufgeschnitten wird, damit die beiden Ballon-Teile dann beim zweiten Backen zu den ultradünnen, krossen Brotscheiben werden. Kurz, das Rezept ist in dieser Form wertlos.

So wird Pane carasau richtig gemacht.

Zuppa Barbagia – eine Suppe aus der Barbagia – Noch nie von einem Gericht mit diesem Namen gehört und auch nicht im Netz oder in Büchern davon gelesen. Aber das schließt ja nicht aus, dass es so ein Gericht (Zucchini-Paprika-Tomaten-Gemüse-Topf) in der sardischen Alltagsküche gibt.

Pistiddu – süße Festtagspastetchen  – Sehr schönes und leckeres altes Gebäck, von dem es je nach Dorf viele Varianten gibt. Der Teig wird in Sardinien allerdings generell mit Schmalz und nicht mit Butter (wie hier angegeben) zubereitet. Auch kommen keine Eier in den Teig. Und die Menge der Hefe ist wieder viel zu hoch angegeben, was wohl daran liegt, dass die Autorin einfach „Würfel“ schreibt. Das sind in Deutschland 42 g und in Italien 25g. In den traditionellen Rezepten findet man Angaben von 15g oder 20 g pro 500 g Mehl, teils wird auch ohne Hefe gebacken.

Pane Frattau – ein Gericht der Hirten – Eines der typischsten sardischen Gerichte überhaupt. Aber die hier beschrieben Zubereitung ist sehr befremdlich. Hier wird aus dem Pane frattau erst ein mit Kräutern aromatisiertes Pane guttiau (mit Öl beträufelt und nochmals aufgebacken) gemacht, was mit dem Originalrezept nichts zu tun hat. Das Brot wird dann ohne es, wie im Originalrezept vorgesehen, in Brühe zu tunken, mit Tomatensoße und Pecorino geschichtet. Dürfte eine trockene Angelegenheit werden – zumal die Menge der Tomatensoße hier im Rezept sehr gering bemessen ist. Schließlich wird hier noch ein Spiegelei auf die letzte Lage gegeben. Falsch! Das Rezept sieht ein pochiertes Ei vor.  

So wird das Pane frattau zubereitet.

Malloreddus con sugo – sardische Nudeln mit Sauce – Kann man so machen, wird auch ab und zu so serviert, aber wirklich typisch ist es nicht. Hier wird ein Ragu, eine Hackfleischsoße, mit der wohl bekanntesten sardischen Nudelsorte Malloreddus kombiniert. Die typische und auf der Insel weit verbreitete Soße für die Maloreddus ist die „alla Campidanese“ (mit Bratwurst, Tomaten und viel Pecorino). 

Culurgionis d’Ogliastra – Teigtaschen nach Art der Ogliastra – Das ist in der Tat eines der wichtigsten Gerichte der sardischen Küche. In der hier angegebenen Zutatenliste irritiert allerdings der „Ziegenfrischkäse“. Da auch in anderen Rezepten der Begriffe Ziegen- bzw. Schafsfrischkäse auftaucht (s.u.) vermute ich einen Übersetzungsfehler. Der italienische Begriff „formaccio fresco“ (frisch gemachter, sehr junger Käse) wurde mit Frischkäse übersetzt, was allerdings etwas ganz anderes ist als formaccio fresco. Das deutet darauf hin, dass das Rezept vor der Veröffentlichung nicht ausprobiert wurde. Mehr noch als der „Frischkäse“ irritiert die beschriebene Art die Culurgiones zu schließen. Da steht: „Nun den Teig über die Masse klappen und an den Rändern gut zusammendrücken. Dabei mit dem Daumen schräg Vertiefungen in den Rand drücken, sodass die fertige Teigtasche an eine Ähre oder an eine längliche Muschel erinnert.“ Total daneben! Hat sich die Autorin das so ausgemalt, weil sie sich nicht über die kunstvolle Art des Schließens der Culurgiones informiert hat? Dabei gibt es im Netz mittlerweile eine große Zahl von Beschreibungen und Videos die sich mit dieser gar nicht so einfach zu erlernenden Kunst beschäftigen. Und auf der Insel werden immer öfter auch Kurse angeboten, in denen man sich diese ausgefallene Art der Pasta-Herstellung aneignen kann.

So werden die Culurgiones wirklich geschlossen.

Torrone – sardischer Nougat – Sehr typisch und sehr lecker, allerdings recht aufwändig selbst herzustellen

Seadas – süße Ravioli – Nochmals ein Highlight der sardischen Küche. Und nochmals Kopfschütteln ob des beschriebenen Rezepts. Für die Seadas (oder Sebadas) wird ein Schmalzteig verwendet, kein Butterteig. Und Eier kommen erst recht nicht in den Teig. Seadas aus einem Eiernudelteig? Wirklich schräg. Und für die Füllung „Pecorino-Frischkäse (ersatzweise Ricotta)“? Bei dem Begriff „Frischkäse“ dürfte es sich wieder um einen Übersetzungsfehler handeln (s.o.), denn das Originalrezept sieht Pecorino fresco (frisch gemachten, sehr jungen) Schafskäse vor, was allerding etwas ganz anderes ist als das, was wir in Deutschland unter Frischkäse verstehen. Übrigens die Alternative „Ricotta“ geht bei diesem Gericht gar nicht. Das wäre dann keine Seada mehr, weil die Käsefüllung nach dem Erhitzen Fäden ziehen muss. Aber noch nicht genug der Verwunderung: Im hier beschriebenen Rezept wird der ausgerollte Teig in Quadrate (!?, Seadas sind rund!) geteilt, auf die dann „ein Klecks Pecorino“ gegeben werden soll. (Ist der Begriff „Pecorino-Frischkäse“ vielleicht doch nicht nur ein Übersetzungsfehler, sondern ernst gemeint?)

Zucchine ripiene – gefüllte Zucchine  – Sehr beliebtes Gericht in Sardinien. Allerdings kommt auch hier wieder der Begriff „Ziegen-Frischkäse“ vor. Wohl nochmals ein Übersetzungsfehler (s.o.)!? 

Merca – gekochte Meeräsche – Typisches Gericht für Cabras. Aber die hier angegebene Salzmenge ist wahrscheinlich viel zu groß für die kleine Menge Fisch. Und die zu lesende Darstellung, dass das Sumpfgras, mit dem die Merca traditionell umgewickelt wird, der „Merca ein leicht nussig-säuerliches Aroma“ verleihe, ist schlicht und einfach falsch. Dieses Missverständnis las man früher öfters, es ist aber mittlerweile so oft richtiggestellt worden, dass jeder, der sich mit dem Rezept näher beschäftigt, das wissen sollte. Das Sumpfgras schützt den Fisch lediglich vor dem Austrocknen und vor Wärme. Schon die Phönizier nahmen die so gekochten und für viele Tage haltbaren Fische als Proviant mit auf ihre Schiffe.

Hier wird beschrieben, wie die Merca gemacht wird.

Papassini – sardische Rosinenplätzchen – Sehr traditionelles sardisches Gebäck mit vielen Varianten. Rezept grundsätzlich ok, allerdings kommt Schmalz in den Teig und nicht Butter, wie hier beschrieben. 

Riso cozze e vongole – Reis mit Mies- und Venusmuscheln – Kein traditionelles bzw. typisch sardisches Gericht. Es gibt nur wenige originär sardische Reisgerichte, da Reis erst seit gut 50 Jahren in Sardinien angebaut wird. Die Mischung aus Mies- und Venusmuscheln wird meist als „zupetta“ mit Tomaten angeboten.

Fave e lardo – Saubohnen mit Speck – Im Winter, vor allem zu Karneval, in verschiedenen Versionen auf der Insel gern zubereitet.

Sa costedda – ein Tomatenbrot aus Villasimiu – In Villasimius beliebte Tomatenfocaccia. Rezept grundsätzlich ok, aber wieder deutlich zu viel Hefe. 

Melanzane alla sarda – sardische Auberginen nach dem Rezept von Annas Mama – Sicherlich ein tolles Gericht, aber nicht typisch sardisch. Es gibt ein sardisches Gericht mit dem Namen „Melanzane alla sarda“, allerdings wird das anders zubereitet. Die Aubergine wird halbiert (oder in dicke Scheiben geschnitten), die Hälften (oder Scheiben) kommen als eine Lage (nicht geschichtet, wie im Buch beschrieben) in den Ofen. Auf die Melanzane werden nur Tomaten, Knoblauch, Petersilie, Salz, Pfeffer und Olivenöl gegeben – und kein Pecorino wie im Buch angegeben. 

Die wirklichen „Melanzane alla sarda“

Respekt vor der sardischen Küche

Fehler können vorkommen. Das weiß jeder, der schreibt. Nicht immer bekommt man die richtigen Informationen, nicht immer recherchiert man sorgfältig genug. Deshalb hätte ich diese kritische Kommentierung des Buches „Das Sardinien-Lesebuch“ gar nicht in Betracht gezogen, wenn ich auf nur ein paar falsche Darstellungen gestoßen wäre. Aber hier ist es anders. Die Teile im Buch, die sich mit der sardischen Küche beschäftigen, sind offenbar ohne nähere (oder zumindest mit ungenügender) Beschäftigung mit dieser sehr eigenständigen Regionalküche geschrieben worden. Nur so kann ich mir erklären, warum von der sardischen Küche ein so stereotypes, realitätsfernes, unausgewogenes und oberflächliches Bild gezeichnet wird. Und nur so kann ich mir auch die vielen, teils massiven Fehler bei den Rezepten erklären, die zudem noch nicht einmal alle typisch sardisch sind, obwohl die Autorin im Vorwort selbst genau diesen Anspruch erhebt. 

Ich finde, dass die journalistische Sorgfaltspflicht (die auch für Buchautoren gilt) es gebietet, den Lesern ein, gerne auch persönlich geprägtes, aber doch möglichst wahres, das heißt einigermaßen realitätsnahes und vor allem unverfälschtes Bild zu vermitteln. Und ich finde zudem, dass eine Länder- bzw. Regionalküche, auch die sardische, soviel Respekt verdient, dass man sich ernsthaft und gründlich mit ihr beschäftigt, bevor man sie seinen Lesern vorstellt.

Text: Hans-Peter Bröckerhoff

Aufmacher-Foto: Collage HPB, Bild MANA-Verlag

Screenshots: 1900cucina.it/, /it.paperblog.com

Daten zum Buch

Das Reisebuch "Das Sardinien-Lesebuch" kritisch betrachtet

Das Sardinien-Lesebuch

Impressionen und Rezepte von der Insel der Traumstrände

von Almut Irmscher

MANA-Verlag

Seiten: 208

Abbildungen: ca. 20

Format: 13 x 20 cm

Einband: Broschur

Reihe: Reise-Lesebuch ; Bd. 21

ISBN: 978-3-95503-231-9

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