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Tod einer Hundertjährigen – ein Sardinien-Krimi voller kulinarischer Genüsse

Warum sollte ich meinen Lesern einen Krimi vorstellen? Das fragte ich mich zunächst, als ich einen gerade erschienen Sardinien-Krimi zur Rezension angeboten bekam. SARDINIEN AUF DEN TISCH konzentriert sich auf die kulinarischen Aspekte Sardiniens. Deshalb werden hier nur Kochbücher und kulinarische Reisebücher rezensiert. Aber als ich las, dass in diesem Krimi mit dem Titel „Tod einer Hundertjährigen“ das Kochen und Essen sowie sardische Spezialitäten und Weine einen größeren Raum einnehmen, dachte ich: warum eigentlich nicht? Auch so kann man einiges über die kulinarische Welt der Insel erzählen.

Um es vorwegzunehmen: Ich habe das Buch mit Vergnügen gelesen. Nicht nur wegen der kulinarischen Stellen, sondern auch insgesamt. Die Grundidee und der sogenannte Plot (die grundlegende Handlungsstruktur) des Krimis gefallen mir gut. Es geht um die international bekannte sardische „Blu Zone“. Dabei handelt es sich um einige Dörfer in der Ogliastra, in denen überdurchschnittlich viele Menschen älter als hundert Jahre werden. Ein Nahrungsergänzungsmittel mit vermeintlich von dort stammenden Zutaten soll eine lebensverlängernde Wirkung haben und wird entsprechend vermarktet. Und ein exklusives Ressort soll künftig zahlungskräftige Wellness-Touristen anlocken. Die dahinter liegenden Konflikte und der Tod einer 102-jährigen, eigentlich gesunden alten Frau rufen eine Wiener Journalistin und ihre im Detektivspielen versierte Freundin auf den Plan.

Der Beitrag zum Thema sardische Blue Zone auf dieser Website.
Hier ein sehr empfehlenswerter Beitrag zum Thema Hundertjährige auf Sardinen auf Reiseblog pecor nera.

Die Grundidee von „Tod einer Hundertjährigen“ ist gar nicht so abwegig

Dass findige Unternehmer die sardischen 100-jährigen, die centenari aus der Ogliastra, für zweifelhafte Geschäfte nutzen könnten, ist eigentlich gar nicht so abwegig, die Grundidee liegt quasi in der Luft. Die Geschichte klingt deshalb recht realitätsnah und glaubwürdig. Aber natürlich muss man auf diese Grundidee für eine Kriminalgeschichte erst einmal kommen. Die Wiener Krimi-Autorin Eva Rossmann, die auch Juristin und Journalistin ist, hat sie sozusagen aus der Luft ge“fischt“. Dafür meine Hochachtung.

Mir gefällt auch, dass die Autorin romantisierende Klischees vermeidet. Beschrieben wird vielmehr eine teils sogar recht krasse Realität. Das wird bei der Darstellung der Familie der verstorbenen (oder ermordeten?) Zia Grazia beispielhaft deutlich. Diese Familie wird nicht als fröhliche und kraftspendende Runde am reich gedeckten Küchentisch dargestellt, sondern als eine zerrissene und von unterschiedlichen Interessen geprägte Familie. Der Roman spielt tatsächlich im Hier und Jetzt der Insel.

Das kulinarische Sardinien spielt in diesem Kriminalroman eine tragende Nebenrolle

Natürlich finde ich es toll, dass in die Handlung immer wieder auch kulinarische Aspekte der Insel einfließen. Das ist ja schließlich mein thematischer Fokus. Schön zum Beispiel sind die Beschreibung des Kochprozesses der „Ceci in umido“ oder des Essens in einer Bar mit Purpuzza als Hauptgericht. Schön beschrieben und zum Thema passend ist auch die Szene, in der die Protagonistin Mira Valenski eine Minestrone kocht.

Die „Minestrone der Hundertjährigen“ wird von den Erfindern des Begriffs „Blu Zones“ (der auch kommerzielle Aspekte hat) zentral vermarktet. Dabei spielt auch ein sehr ausgeklügeltes Rezept für diese Gemüsesuppe eine Rolle. Das wird im Netz mittlerweile auf zig Websites in identischer Form (also offensichtlich kopiert) vorgestellt. Die Protagonistin bereitet ihre Minestrone allerdings nicht nach dem vermeintlichen „Originalrezept“ zu. Sie nimmt einfach die Zutaten, die sie im Kühlschrank und in der Speisekammer gerade vorfindet, und kommt damit der Realität (auch in der Blu Zone Sardiniens) wahrscheinlich recht nahe.

Ein paar kritische Anmerkungen gibt es schon

Gut ist auch, dass die Culurgiones im Roman vorkommen, schließlich sind sie ja so etwas wie der Leuchtturm der Ogliastra-Küche. Hier komme ich allerdings an einer kritischen Anmerkung nicht vorbei. Diese Culurgiones, die die Ich-Erzählerin Mira Valensky sehr genau als die Culurgionis d’Ogliastra beschreibt, haben immer eine Kartoffel-Käsemasse als Füllung. Da scheint der Autorin etwas durcheinander gekommen zu sein, denn sie lässt die Protagonistin eine Ricotta-Füllung darin vermuten. Ricotta-Ravioli gibt es auf Sardinien auch, aber sie haben die normale Ravioli-Form. Die kunstvolle Schließung der Culurgionis d’Ogliastra wäre mit der weichen und klebrigen Ricotta-Masse außerdem noch schwieriger, als sie es ohnehin schon ist.

Auch die berühmten Culurgiones kommen im Kriminalroman vor.

Noch eine weiter kritische Anmerkung muss ich machen: Die Hackfleisch-Füllung für die „Involtini di cavolo“, die von einer der Nebenfiguren des Romans, einer Sardin, zubereitet werden, wird im Buch mit Senf gewürzt. Das hat mit der sardischen Küche nichts zu tun. Senf spielt in der traditionellen Küche gar keine Rolle und man wird auch heute noch in einer normalen sardischen Küche keinen Senf vorfinden.

Nun ist es in der besagten Koch-Szene eine Frau, die lange in Deutschland gelebt hat, die den Senf als Würze benutzt. Sie könnte diese Art der Hackfleisch-Würzung also von Deutschland mitgebracht haben. Leider ist diese sich anbietende Erklärung im Text nicht zu finden, wodurch bei den Lesern ein falscher Eindruck erzeugt wird. (Mittlerweile weiß ich, dass der Hinweis, dass die Senf-Würze eine Angewohnheit ist, die die Romanfigur aus Deutschland mitgebracht hat, versehentlich beim Überarbeiten und Straffen des Textes verloren gegangen ist.)

Noch eine dritte Anmerkung möchte ich machen. Diese ist allerdings keine wirklich kritische, weil hier nichts falsch ist. Mir fehlt nur ein interessanter Aspekt. Im Buch wird sehr plastisch der Besuch in einer Pizzeria beschrieben. Dabei trinken die beiden Protagonistinnen Wein. Das ist nicht unrealistisch, da sie ja Ausländerinnen sind. In der Realität wären sie wahrscheinlich (fast) die einzigen Gäste im Raum, die Wein zur Pizza trinken. Die meisten Sarden (auch die größten Weinliebhaber) trinken Bier zur Pizza. Ich hätte es für die Leser interessant gefunden, wenn diese für viele Sardinien-Urlauber verblüffende kulinarische Gewohnheit in der Szene mit aufgenommen worden wäre.

In der Schlussszene wird es nochmals so richtig kulinarisch

Jetzt aber Schluss mit den (kritischen) Anmerkungen. Denn sie sind für meine Gesamtbewertung nicht wichtig. Ich kann den Sardinien-Krimi „Tod einer Hundertjährigen“ insgesamt sehr empfehlen. Er ist bis zum Ende interessant und spannend – auch kulinarisch. Die Schlussszene mit der Auflösung der teils verwirrenden Hintergründe und dem Resultat der Tätersuche spielt in einer kleinen Osteria in Settimo San Pietro nahe Cagliari. Sie ist eingebettet in ein opulentes Mittagessen, wodurch sie für die Freunde des kulinarischen Sardinien noch lesenswerter wird.

Mir hat diese Schlussszene noch ein zusätzliches Lächeln beschert. Denn die Autorin gibt der Osteria den Fantasienamen „Sa Canna“. Aber ich hatte gleich den Verdacht, dass es sich dabei nicht um ein gänzlich erfundenes Restaurant handelt. Ich habe deshalb ein wenig recherchiert.

Und richtig, es ist höchstwahrscheinlich ein realer Schauplatz, bei dem nur der Name verändert wurde. Eva Rossmann hat hier sicherlich selbst schon die Genüsse der authentischen sardischen Küche erlebt und dieses Erlebnis in die Geschichte eingeflochten. Ich denke, es handelt sich um das kleine Restaurant „Sa Tuedda“ in Settimo San Pietro, das mir erst vor ein paar Wochen wärmstens empfohlen wurde und das deshalb auf meiner Liste der Restaurants steht, die ich unbedingt noch besuchen möchte. Wenn ich das demnächst tue, werde ich wohl nicht nur sehr gut essen, sondern auch nochmals an die Lektüre von „Tod einer Hundertjährigen“ und an dessen Schlussszene zurückdenken.

Text: Hans-Peter Bröckerhoff


Tod einer Hundertjährigen

Eva Rossmann

Tod einer Hundertjährigen

Ein Mira-Valensky-Krimi

Hardcover, 304 Seiten, 24 Euro

FOLIO Verlag

ISBN 978-3-85256-862-1

 "Tod einer Hundertjährigen"  in einem kleinen Video
Auf der Website des Verlags stellt die Autorin ihr neues Buch „Tod einer Hundertjährigen“ in einem kleinen Video vor.

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