Mit den „Geheimtipps“ ist das so eine Sache. Denn sobald man sie veröffentlicht (und damit vielen Menschen bekannt macht), sind sie nicht mehr geheim. Manchmal aber kann man einfach nicht anders als auch andere an seiner eigenen Begeisterung und Freude teilhaben zu lassen, so wie bei der kleinen, unscheinbaren Trattoria Ghentiana in Ruinas. Denn sie ist ein kulinarischer Geheimtipp, der es wahrlich verdient hat, kein Geheimtipp zu bleiben.
Der Wirt und Koch, Valter Vargiu, und seine Familie tischen ein so gutes und authentisch sardisches Essen auf, das so einfach wie opulent ist und mit viel Liebe und Charme serviert wird, dass man gar nicht anders kann, als diese kleine Trattoria möglichst vielen Freunden der echten sardischen Küche zu empfehlen. Man isst dort nicht nur außerordentlich gut, sondern auch zu Preisen, bei denen man sich ungläubig die Augen reibt.
Zufällig entdeckter kulinarischer Geheimtipp
Auf die kleine Trattoria waren wir eher zufällig gestoßen. Wir wollten den schönen, sonnigen Oktobertag zu einem Spaziergang nutzen, ausnahmsweise mal nicht am Meer entlang, sondern im Wald und dabei auch nach Steinpilzen suchen. Natürlich sollte auch das Kulinarische nicht zu kurz kommen. Bei der Internetrecherche nach einem guten Lokal zum Mittagessen in der für den Spaziergang ausgesuchten Gegend fiel mir diese Trattoria in Ruinas auf. Ruinas ist ein kleines, etwa 40 Kilometer und genauso viele Autominuten von Cabras entferntes Dorf „hinter“ dem Monte Grighine, auf dem ein von weitem sichtbarer großer Windpark saubere Energie produziert. Das Lokal hatte bei Tripadvisor zwar nur 16 Bewertungen, die aber klangen so gut, dass ich in der Trattoria anrief und reservierte.
Wir sind zunächst an dem Lokal vorbeigefahren, so unscheinbar sieht es von außen aus. Das Wort Trattoria sucht man vergebens. Über der Eingangstür steht nämlich Bar Ghentiana und Cafeteria. Man tritt tatsächlich zunächst in eine klassische Bar, von der dann aber eine Tür in einen kleinen Gastraum führt. Hier gibt es nur wenige Tische und einfache Stühle mit geflochtenen Sitzflächen, auf denen maximal dreißig Personen Platz finden. Ein großer Vitrinenschrank dominiert den Raum.
Opulentes Menü ohne Speisekarte
Valter Vargiu, der Wirt und Koch, begrüßte uns mit den Worten: „Gerade heute früh habe ich frische Steinpilze bekommen“ und schlug auch gleich das Menu vor: als Vorspeise rohe Steinpilze, fein geschnitten, in einer Marinade aus Olivenöl und Zitronensaft, dann hausgemachte Ravioli mit Ricotta-Füllung und einer Soße aus Steinpilzen sowie zweierlei Pilze (Champignons und Kräuterseitlinge) als Beilage zu den Hauptgerichten. Wir waren begeistert. Und auch gegen die beiden Hauptgerichte, Cinghiale in umido (geschmortes Wildschwein) und Coniglio alla cacciatora (Kaninchen mit Kapernsoße) hatten wir nichts einzuwenden. Wir ließen den Wirt einfach machen. Eine klassische Speisekarte gab es, wie oft in solchen Trattorien, sowieso nicht.
Es überraschte uns auch nicht, dass zu dem wunderbaren Steinpilz-Carpaccio noch weitere Vorspeisen auf den Tisch kamen: gegrilltes Gemüse (natürlich aus dem eigenen Garten), Afettato (Aufschnitt, auch selbst hergestellt) und roher Schinken (dieser ausnahmsweise nicht aus eigener Produktion, sondern von einem befreundeten Produzenten aus Oliena). Der Bovale, einer der beiden offenen Rotweine des Hauses, passte sehr gut zum Menü.
Der fünf Jahr lang gereifter Käse („kein Scherz, die Käserei Lacesa in Bortigali garantiert diese Reifezeit“, beteuert der Wirt), serviert mit einer hausgemachten Feigenmarmelade, war eigentlich zuviel des Guten, aber ich aß ihn dennoch mit Genuss, genauso wie eine halbe Seada mit Honig (für jeden eine ganze hätten wir nicht mehr geschafft). Ein Kräuterlikör (natürlich auch der selbst hergestellt) aus Myrthenblättern, grünen Myrthenbeeren und Enzian (ja, auch den gibt es in Sardinien) und ein ausgezeichneter Espresso rundeten das üppige Mahl ab.
Nicht nur Fleisch und Gemüse
Dass die Trattoria vor allem Fleisch- und Gemüse-Gerichte anbietet, versteht sich von selbst. Schließlich liegt Ruinas im Inselinneren. Aber das heißt nicht, dass der Koch nicht auch ein Fischmenü zubereiten kann. Als wir dort waren, tat er das für eine größere Gruppe am Nachbartisch. Offenbar anlässlich einer Familienfeier wurden dort Gamberi, Venusmuscheln, Linguine mit Hummersoße sowie gegrillter Fisch und Tintenfisch serviert – sehr zur Freude der Tischrunde.
Valter Vargiu kocht tatsächlich „con passione“ (mit Leidenschaft), wie es in den Rezensionen auf Tripadvisor mehrfach heißt. Dabei hat er keine Ausbildung zum Koch, sondern ist Autodidakt, wie er uns stolz erzählte. Er habe das Kochen von seiner Großmutter und seiner Mutter gelernt, erklärte er sein Können. Aber die Leidenschaft zeigt sich nicht nur im Können, sondern auch im sichtbaren Engagement, die Gerichte besonderes authentisch zuzubereiten und auch zu den Gästen ein gutes Verhältnis aufzubauen.
So ließ er es sich nicht nehmen, uns immer wieder etwas zu seinen Gerichten zu erzählen, zum Beispiel, wie er die Pilzsoße zu den Ravioli leicht cremig hin bekommt. Natürlich nicht mit Sahne (denn die wird in der sardischen Küche so gut wie nie verwendet), sondern indem er einen Raviolo öffnet und die Ricotta-Masse mit der Soße verrührt. Und er wies auch darauf hin, dass man für das Gericht keine Ravioli mit starkem Eigengeschmack, also etwa mit Minze, Zitronenschale oder Spinat darin, verwenden solle, da es hier auf den feinen Pilzgeschmack ankomme, der nicht gestört werden dürfe.
Satt und hochzufrieden
Wir verließen die Trattoria pappsatt, denn wir hatten reichlich, eigentlich zu reichlich, gegessen. Aber wir waren auch hochzufrieden, weil es sehr gut geschmeckt hatte und wir zudem auch noch nette Gespräche mit dem Wirt hatten. Der anschließende (Verdauungs-)Spaziergang im Wald unterhalb der großen Windräder auf dem Monte Grighine tat doppelt gut nach diesem opulenten Essen. Steinpilze fanden wir dort zwar keine, aber das war nicht mehr so schlimm. Denn die hatten wir ja gerade reichlich und sehr lecker zubereitet in der Trattoria Ghentiania essen können.
Text und Fotos: Hans-Peter Bröckerhoff
Solche überraschenden Entdeckungen wie die oben beschriebene, die als kulinarischer Geheimtipp gelten können, gibt es sicherlich des Öfteren auf Sardinien. Wer auch so eine Entdeckung gemacht hat, ist herzlich eingeladen, diese unten bei den Kommentaren mit allen Leserinnen und Lesern zu teilen.
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Hallo ,ich lebe in München .
,bin selber Gastronom , finde euren NEWSLETTER sehr uninteressant ,und gut .und noch was bin in Ruinas geboren worden. weiter So. Grüße G. Ardu‘