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Primavera in …, lohnt sich ein Besuch der sardischen Frühlingsfeste? – Ein Bericht aus Bortigali

Auf Sardinien gibt es mittlerweile sehr viele Frühlingsfeste. Seit einigen Jahren sind zu den religiösen Patronats-Festen und den Sagre, die von einzelnen Gemeinden veranstaltet werden, noch Feste  unter gemeinsamen Dach, also Veranstaltungsreihen hinzugekommen. Eine ist „Primavera nel Core della Sardegna“ (Marghine, Ogliastra und Baronia). Lohnt sich ein Besuch eines dieser neuen Frühlingsfeste? Was erwartet Sardinienurlauber, die die Insel im Frühjahr erkunden wollen, dort? Der folgende, sehr persönliche Bericht von einem Besuch des Frühlingsfestes in Bortigali gibt Antwort.

Die Straßen waren noch recht leer. Hier und da wurden noch Stände aufgebaut und Materialien angeliefert. Andere Stände waren zwar fertig, aber ohne Besucher. Dabei war es schon fast Mittag, und das Fest sollte eigentlich schon in vollem Gange sein. Wir waren in Bortigali, einem Dorf im Marghine, der Bergregion nordöstlich von Macomer, und wollten uns das dortige Frühlingsfest aus der Veranstaltungsreihe „Primavera nel Marghine, Ogliastra e Baronia“ anschauen. „Es ist Samstag 13417706_714737991962294_3935231253595748546_nund die meisten Besucher werden erst am Nachmittag und vor allem am Sonntag kommen“, erklärten wir uns das noch geringe Treiben auf den Straßen und beschlossen, die Situation zu nutzen, um uns in Ruhe und ohne den für später erwarteten Trubel die einzelnen Stände mit Präsentationen von typischen Produkten und Aktivitäten anzuschauen.

Der Straßenplan des Festes wies 73 Stationen aus. Viele davon waren kleine, direkt an der Straße gelegene Räume oder Innenhöfe, andere klassische Stände, wie man Sie von Volksfesten kennt. Die meisten dieser Stationen präsentierten kulinarische Spezialitäten der Gegend oder stellten kunsthandwerkliche Produkte aus. Alles war ganz so wie im Programmheft angekündigt: Bortigali zeigte, was die Menschen im Dorf und im Umland zu bieten haben.

Fiore sardo direkt vom Schäfer

Wir begannen unseren Rundgang auf der Hauptstraße, der „Via Vittorio Emanuele III“ (Wie viele Straßen auf der Insel wohl diesen Namen tragen? Bestimmt viele hundert.). Zunächst zog ein Ausstellungsraum mit zwei Stapeln von Käselaiben unsere Aufmerksamkeit auf sich (siehe Aufmacherbild). Der Schäfer (Giovanni Bussu, wie auf dem Plakat hinter ihm zu lesen war) stellte hier seine eigenen Produkte vor. Er sprach uns freundlich an und forderte uns auf, von seinem Käse zu probieren. Die reifere, sehr kräftige und leicht geräucherte Sorte schmeckte uns am besten und bekam unser besonderes Lob. Giovanni Bussu lachte erfreut über die Anerkennung seiner Arbeit und bot gleich auch noch ein Gläschen Rotwein zum Nachspülen an. Wir kamen ins Gespräch. Und er erzählte von seiner Arbeit und von den verschiedenen Schafkäsesorten, die er produziert, darunter auch der ganz jungen Casu Axedu, der im Grunde noch Käsebruch in der Salzlake ist. Wir erfahren auch, dass er mit nicht pasteurisierter Milch arbeitet, sein Käse also kein Pecorino sardo, sondern ein Fiore sardo ist. Dieser ist besonders lagerfähig und entwickelt sich oft zu sehr geschmacksstarkem und würzigem Käse. Wir kaufen ein großes Stück von dem reifen Fiore sardo (zu einem wirklich günstigen Preis) und setzen unseren Rundgang fort.

Käse – das erste Standbein des Dorfes Bortigali

Da im Marghine die Weidewirtschaft vorherrscht, produziert die heimische Landwirtschaft vor allem Käse und Fleisch. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass wir schon einige Schritte weiter wieder auf einen Käsestand stießen. Dieses Mal hingen hier die birnenförmigen Perette, für die es auf der Insel viele unterschiedliche Namen gibt und die italienisch Provola oder Provoletta genannt werden. Hier handelte es sich also um Kuhkäse, und zwar um einen aus der Familie der Formaggi a pasta filata. (Ein Erklärung dazu findet man unter diesem Link im deutschen Wikipedia.) Die Provolette aus Bortigali sind weit über die engere Nachbarschaft bekannt und geschätzt. (Wer sie in Sardinien in einem Lebensmittelgeschäft sieht, sollte zugreifen. Ich hatte einige Monate zuvor einen mit nach Deutschland genommen. Er schmeckte auch nach längerer Lagerung im Kühlschrank noch frisch und würzig.)

Wie stark die Peretta früher das Alltagsleben in Bortigali bestimmt hat, machten keine hundert Meter weiter drei Männer deutlich, die an ihrem Stand vorführten, wie die Perette geformt werden (frischer Käse wird klein geschnitten und in heißes Wasser gegeben, gerührt. dann gezogen und geknetet und schließlich in die typische Form gebracht. Das sei, hören wir, früher die Arbeit der Frauen gewesen, die in ihren Händen durch die ständige Arbeit in dem heißen Wasser oft nur noch wenig Gefühl hatten. Mini-Perette (s. Bild), erfahren wir weiter, wurden in früheren Zeiten oft für die Kinder gemacht, für die es im Alltag keine Süßigkeiten gab und denen die Frauen mit den kleinen Käsen eine Freude bereiten konnten. Den Mini-Käse, der auf dem Bild zu sehen ist und der während unserer Anwesenheit am Stand gemacht wurde, bekamen wir übrigens später, als wir wieder am Stand der drei Männer vorbeikamen im „Tausch“ gegen eine Flasche handwerklich gebrautes Bier geschenkt, das es ein Stück weiter die Straße hinunter zu probieren und zu kaufen gab.

„Beelato“ – Speiseeis aus Schafsmilch
Der Konditor Maurizio Cossu (links im Bild) hinter seiner Eistheke mit Eis aus Schafsmilch. Das Eis schmeckt vorzüglich und ist für viele Menschen auch besser verträglich als normales Speiseeis aus Kuhmilch.

Mit Milch hatte auch die größte Überraschung an diesem Mittag zu tun. „Beelato“ war auf der Eistheke zu lesen, hinter der ein Mann in Kochjacke (siehe Bild) stand. Der Mann nickte lächelnd auf unsere etwas ungläubige Frage, ob es hier wirklich Speiseeis aus Schafsmilch zu probieren gebe, und erzählte uns die Geschichte seiner „Erfindung“. Er, Maurizio Cossu , ein Pasticciere (Konditor) und ein befreundeter Eisdielenbesitzer, beide aus der Nachbarstadt Macomer, hatten vor gut einem Jahr die Idee, Speiseeis aus Schafsmilch zu machen. Der Erfolg war groß, als die beiden ihre Kreationen unter dem Namen Beelato dem Publikum vorstellten. Ihr Konzept ist nicht nur, statt Kuhmilch Milch von Schafen zu verwenden. Auch bei den Eissorten soll die Verbindung zu ihrer Heimat Sardinien betont werden. Deshalb produzieren sie nicht die üblichen Eissorten, die wir alle aus den italienischen Eisdielen kennen, sondern Sorten wie Seada (in Anlehnung und mit den Geschmacksnuancen der berühmten frittierten und mit bitterem Honig beträufelten Teigtaschen), Gioddu (eine Art Jogurt aus Schafsmilch), Timballa (nach dem traditionellen sardischen Pudding mit Kaffeegeschmack) oder Pecorino con pere (Schafskäse mit Birnen). Die beiden letzteren habe ich probiert und sie haben mir ausgezeichnet geschmeckt. (Hier die FB-Seite der Pasticceria Tesi, die das Eis in Macomer herstellt und verkauft.)

Fleisch – das zweite Standbein des Dorfes Bortigali
Exzellente Fleisch- und Wurstwaren aus dem Marghine. Von der der klassischen Salsiccia sarda bis zu „Testa in cassetta“.

Auch das neben Milch und Käse zweite ökonomische Standbein im Marghine, das Fleisch, spielte auf dem Fest eine deutliche Rolle. So hatte natürlich auch die große örtliche Schlachterei und Metzgerei Milia, die ihre Produkte weit über Bortigali hinaus auf der Insel vertreibt, einen Stand. Dort konnte man nicht nur besonders gutes Rindfleisch vom Grill probieren, sondern auch Schinken, Würste, Pancetta, Guanciale und andere Köstlichkeiten aus Rind- und Schweinefleisch – zum Beispiel „Testa in cassetta“, eine Art Schweinskopfsülze. Letztere haben wir uns auch mitgenommen, da diese Art von Wurstspezialität nicht überall zu bekommen ist und wir sie, genau von dieser Metzgerei hergestellt, schon bei sardischen Freunden probiert und als sehr gut empfunden hatten.

Einen weiteren Beweis für die Güte des Fleisches aus der Region bekamen wir beim Mittagessen im Restaurant „Peccati di Gola“. Als Hauptgericht des Menüs anlässlich des Festes (16 Euro, zwei Gänge inklusive Wein, Wasser, Kaffee und Digestiv) gab es dort geschmortes Schafsfleisch mit Oliven und Kartoffeln – wirklich gut, da butterweich und kräftig gewürzt. Ebenso gut und eine echte Überraschung war der erste Gang, die Zuppa di Finocchio selvatico. Es war keine Suppe, wie der Name vielleicht erwarten lässt, sondern eine Art Brotauflauf, ähnlich der berühmten Zuppa Gallurese. Bei dieser Zuppa wird, wie der Koch uns später verraten hat, wilder Fenchel gekocht und dann abwechselnd mit einem ganz speziellen Brot namens Zicchi und sehr jungem Kuhkäse geschichtet, mit dem Kochwasser vom Fenchel übergossen und im Backofen erhitzt, bis der Käse schön geschmolzen ist.

Die Natur im Glas

Die über das ganze Dorf verteilten Stände hatten natürlich noch viel mehr zu bieten als Käse und Fleischprodukte. Es gab hausgemachte Liköre, Honig aus der Region, das schon erwähnte handwerklich hergestellte Bier, in Olivenöl eingelegte Pilze und vieles mehr. Ganz besonders interessant war eine Station in einem antiken Haus in der Via Re Galantuomo. Unter dem Namen „La Natura in Barattolo“ (Die Natur im Glas). gab es hier (und gibt es auch außerhalb der Festtage) eingelegte Gemüse, Patés, Kräuter, getrocknete Steinpilze, Liköre und Schnäpse, Marmeladen und anderes mehr zu probiere und zu kaufen – alles von den beiden Betreibern des kleinen Ladens, Franca Bacci und ihrem Mann Alberto, selbst gesammelt, hergestellt und konserviert. Wenn man hier einmal angefangen hat zu probieren, fällt es schwer zu gehen, ohne etwas gekauft zu haben. Wir jedenfalls haben das nicht geschafft.

Zu den kulinarischen Angeboten gesellten sich zahlreiche Stationen, an denen kunsthandwerkliche Produkte oder Schmuck angeboten wurden oder bildende Künstler ihre Werke ausstellten. Es wurde teilweise auch vor Ort produziert. So konnte man sich zum Beispiel die alte Tradition der Herstellung von Körben und dekorativen Tellern aus den Stängeln der Asfodelo-Pflanze zeigen und erklären lassen. Und auch Pflanzen, Antiquitäten und anderes mehr wurden präsentiert und verkauft. Das ganze Dorf war ein einziger großer Markt, auf dem die nicht nur die Produkte des Dorfes und des Umlandes angeboten wurden, sondern sich auch das Dorf selbst seinen Besuchern präsentierte – ganz im Sinne der Organisatoren der Veranstaltungsreihe „Primavera nel Marghine, Ogliastra e Baronia“. Hinzu Kamen noch die Auftritte von zwei Chören und andere Darbietungen mehr, wie etwa die für den Sonntag angekündigte öffentliche Herstellung einer Riesen-Cordula (Zopf aus Schafsdarm), die dann am offenen Feuer geröstet wurde und von den Besuchern verkostet werden konnte. Und natürlich habe es auch reichlich zu essen und zu trinken, wie es sich für ein Fest gehört.

Impressionen

 

Als wir am späten Nachmittag Bortigali verließen, waren schon viel mehr Menschen auf den Straßen zu sehen. Das Fest schien jetzt erst richtig loszugehen. Aber wir waren froh, dass wir die noch etwas ruhigere Zeit hatten nutzen können für zahlreiche Begegnungen und Gespräche, die uns viele neue Eindrücke und Erfahrungen bescherten. Für uns war Bortigali an diesem Samstag, ganz im Sinne des Mottos der gesamten Veranstaltungsreihe „eine Reise ins Herz Sardiniens“ wert.

 

Text und Fotos: c) Hans-Peter Bröckerhoff

 

Übrigens

Sicherlich ist es hilfreich, ein wenig Italienisch zu verstehen und zu sprechen, wenn man eine Veranstaltung wie die oben beschriebene besucht. Aber auch wenn man kein Italienisch kann, sollte man sich dadurch nicht abhalten lassen, im Frühjahr einen oder mehrer Termine der „Primavera nel Core della Sardegna“, der „Primavera in Gallura“, der “Primavera sulcitana“ oder im Herbst des „Autunno in Barbagia“ zu besuchen. Ein deutsches Ehepaar jedenfalls, das wie wir, aber ohne Sprachkenntnisse, das Fest in Bortigali besuchte, war sehr zufrieden mit dem Besuch. Sie hätten, berichteten die beiden, sich auch so („mit Händen und Füßen“) gut verständlich machen und viele tolle Eindrücke sammeln können. Die beiden fuhren sehr zufrieden wieder nach Bosa, wo sie auf ihrer Frühjahrs-Sardinien-Rundreise zurzeit Quartier genommen hatten.

 

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2 Kommentare

  1. Ein schöner Bericht! Vielen Dank. Ich war schon oft auf Herbstfesten der Barbagia, aber noch auf keinem Frühlingsfest. Vielleicht kann ich das dieses Jahr ändern… Ich schau mal, ob ich Termine herausfinde, die zu meinem Aufenthalt passen.

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