Ferrari-Reis? Beim Namen Ferrari denkt wohl kaum jemand an Reis, sondern an teure Sportwagen und Motorsport. Das ist in Sardinien anders. Hier steht der Name auch für hochwertigen Reis aus sardischem Anbau. Unter dem Markennahmen „iFerrari – I chicci d‘Angelo“ sind mittlerweile fünf Reissorten des Familienbetriebs Ferrari in vielen Lebensmittel- und Delikatessengeschäften auf der Insel und auch in zahlreichen Online-Shops erhältlich.
Aber es ist nicht nur der Name Ferrari, den viele Sardinienfreunde nicht mit der Insel in Verbindung bringen, es ist auch der Anbau von Reis selbst. Deshalb wird zeitgleich mit dieser Reportage über den Reisproduzenten Ferrari auch ein Beitrag über den sardischen Reis insgesamt veröffentlicht. Dort werden auch andere sardische Reisproduzenten genannt, denn die Azienda Risaria Ferrari, die hier beispielhaft vorgesellt wird, ist nur eine von mehreren Anbietern dieses zu unrecht noch recht unbekannten Erzeugnisses der sardischen Landwirtschaft.
Für mich persönlich gehören Reisfelder in unserer sardischen Zweitheimat Cabras zum Alltag. Denn auf dem Gebiet der Gemeinde Cabras gibt es, wie auch auf dem der Gemeinden Oristano und Simaxis, besonders viele Reisfelder. Nur einen Kilometer von unserem Haus entfern liegen die ersten Felder, an denen ich fast täglich vorbeifahre. Und genau diese Reisfelder gehören zum Betrieb der Familie Ferrari.
Aber von Anfang an: Bei einer Veranstaltung lernte lernte ich Carlo Ferrari kennen, der im Familienunternehmen iFerrari, das er gemeinsam mit seinen drei Geschwistern und seinem Vater führt, für den Vertrieb und das Marketing zuständig ist. Er hatte einen kleinen Stand aufgebaut und stellte die Produkte seines Unternehmens vor. Er erzählte mir von der Geschichte seiner Familie und lud mich ein, das Unternehmen zu besuchen.
Von Brescia nach Oristano
Die Geschichte von „iFerrari“ begann im Grunde mit Carlos Großvater Giovanni Ferrari, einem Landwirt aus Brescia, der nach Sardinien gekommen war, um hier zu arbeiten. Ihm gefiel es auf der Insel so gut, dass beschloss in Sardinien zu bleiben. Er ließ seine mit Carlos Vater Angelo Mario schwangere Frau nachkommen und kaufte einen Bauernhof in den Feuchtgebieten zwischen dem Golf von Oristano und dem Unterlauf des Flusses Tirso. Er baute zwar auch schon Reis an, aber nur als kleinen Teil seiner bäuerlichen Produktion.
Der eigentliche Firmengründer war dann Angelo Mario Ferrari. Denn der konzentrierte sich vor mehr als 50 Jahren auf den Reisanbau. Ihm war klar geworden, dass die Gegend sehr gut dafür geeignet ist. Nicht nur der Wasserreichtum durch den nahen Fluss und die Sonne sind für den Reisanbau ideal, sondern auch der häufig vom Meer kommende Wind, der Maestrale, der die Reisfelder von Parasiten befreit und die Gesundheit der Pflanzen fördert.
Angelo Mario Ferrari entwickelte das Unternehmen zu einem erfolgreichen Hersteller von qualitativ hoch geschätztem Saatreis, den er an große Reisbauern in der Po-Ebene verkaufte. Im Jahr 1978 war er Mitbegründer der Cooperativa Sardo Piemontese Sementi (SaPiSe), Italiens führendem Anbieter von Reis-Saatgut, über die bis heute ein Großteil der Produktion der Firma iFerrari vermarktet wird.
Nicht zuletzt wegen der hohen Qualität des hier im Umland von Oristano erzeugten Reises entschieden sich einige der hiesigen Reisbauern, nicht nur Saatgut, sondern auch für den Konsum bestimmten Reis zu erzeugen und diesen selbst zu vermarkten. So auch der Familienbetrieb iFerrari, der vor gut 10 Jahren begann, seine verschiedenen Reissorten unter der Dachmarke „I Chicchi d‘Angelo“ (Wortspiel „Die Körner von Angelo“ und „Die Engelskörner“) auf den Markt brachte.
Besuch auf der Azienda
Mein Besuch der Azienda risaria, des Reisbauernhofs, der Familie Ferrari fand erst einige Zeit nach dem Zusammentreffen mit Carlo Ferrari statt. Zwischenzeitlich waren die Reisfelder fast alle abgeerntet und auf der Azienda war wieder ein wenig Ruhe eingekehrt. So konnte Carlo Ferrari sich Zeit nehmen, mir den Betrieb zu zeigen, mir zu erklären, wie der mit großen Mähdreschern geerntete Reis weiterverarbeitet und gelagert wird.
Weit gehende Nachhaltigkeit
Auch die Steuerzentrale und die großen Batterien der Photovoltaikanlage zeigte er mir nicht ohne Stolz. Denn fast alle Dächer des Betriebs sind mit Solarpanelen bedeckt. Dadurch ist der Betrieb energetisch autark und kann zudem noch viel Strom ins öffentliche Netz einspeisen. Die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen ist, auch das erfuhr ich beim Rundgang, Teil einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie.
Der Betrieb ist für seine integrierte, ökologisch nachhaltige Produktion zertifiziert, was bei der Reisproduktion insbesondere bedeutet: möglichst weit gehende Reduktion des Wasserverbrauchs und weitestgehende Vermeidung des Einsatzes von herkömmlichen Pflanzenschutzmitteln. Reis in einer noch intensiveren und weiter gehenden biologischen Produktionsweise anzubauen, sei, erfuhr ich bei der Gelegenheit, wegen der besonderen Produktionsbedingungen heute leider noch nicht wirklich möglich. Wenn man „biologisch“ angebauten Reis angeboten bekomme, solle man deshalb eher misstrauisch werden.
Ähnlich stolz wie über die nachhaltige Produktion sprach Carlo Ferrari über die Innovationsfreudigkeit der SaPiSe (Cooperativa Sardo Piemontese Sementi). Dieser Zusammenschluss von Reisbauern aus dem Gebiet von Oristano mit Reisbauern im Piemont unterhält auch ein Forschungs- und Entwicklungszentrum. Dort wurde unter anderem der erste schwarze Reis Europas gezüchtet. Dieser 1997 unter dem Namen Riso Venere patentierte leicht aromatische Reis gehört heute zum Programm der iFerrari. Er wird auch von anderen Mitgliedern der SaPiSe produziert und die mit strikten Produktionsauflagen verbundene Lizenz wurde schon an weitere Produzenten vergeben.
Neuzüchtung Riso Venere
Der neue schwarze Reis war zunächst kein Erfolgsprodukt. Er war bei den Konsumenten unbekannt und auch die 40 Minuten Kochzeit, die er braucht, schreckten viele ab. Man sei fast soweit gewesen, den Anbau wieder aufzugeben, erzählte Carlo Ferrari mir. Aber dann konzentrierte man sich auf die Gastronomie und der Erfolg kam. Denn vielen Köchen gefällt dieser ungewöhnliche, aber sehr leckere und gut mit Meeresfrüchten und Gemüse kombinierbare Reis.
Der späte Erfolg des Riso Venere wurde gerade gekrönt durch einen Vertrag mit dem italienischen Reis-Konzern Riso Scotti, der den Venere-Reis in sein Programm aufnimmt und ihn dadurch mit großer Marktmacht zu den Konsumenten bringt. Diese Kooperation zwischen der SaPiSe und dem Reisgiganten Scotti hat auch auf nationaler Ebene Aufsehen erregt. Sie wurde durch ein Treffen der beiden Partner unterstrichen, bei dem die Präsidentin der SaPiSe und Miteigentümerin des Nachbar-Reisbauernhofs Azienda Agricola Falchi, Elisabetta Falchi, und der Geschäftsführer von Riso Scotti, Dario Scotti, die Zusammenarbeit besiegelten.
Wachsender Konsum von Reis aus sardischem Anbau
Wir unterhielten uns noch ein wenig über die eher geringe Rolle, die Reis bisher in der sardischen Küche spielt. In der traditionellen Insel-Küche kommt er zwar vor, aber doch eher selten (dazu mehr im allgemeinen Beitrag über Reis aus Sardinien). Carlo Ferrari wies dabei noch auf eine aktuelle Entwicklung hin, die dem Reis-Konsum auf Sardinien auch nicht gerade zuträglich ist: Die ursardische Nudelsorte Fregula (ital. Fregola), die eigentlich eine Art Suppennudel war, wird immer häufiger wie Reis verwendet. Für Gerichte, die normalerweise mit Reis zubereitet werden könnten, nimmt man mittlerweile oft Fregula. Aber, fügte mein Gesprächspartner noch an, der Reiskonsum nehme auf der Insel dennoch zu und er sei optimistisch, dass auch er auch künftig weiter steigen werde.
Zum Schluss unseres Gesprächs kamen wir nochmals auf Giovanni Ferrari, Carlos Großvater, zu sprechen. Ich erfuhr, dass dieser auch deshalb von zuhause weggegangen und schließlich in Sardinien geblieben war, weil ihm die präpotente faschistische Herrschaft in seiner Heimat nicht behagte. Hier im Oristanese, wo diese Herrschaft weniger intensiv und bedrückend ausgeprägt war, habe er sich besser entfalten können und wohler gefühlt.
Sein Opa habe allerdings, fügt Carlo Ferrari noch lachend hinzu, als Grund fürs Hierbleiben meist augenzwinkernd den Vernaccia di Oristano genannt. Denn diesen ungewöhnlichen Wein seiner neuen Heimat habe er geradezu geliebt. Das kann ich gut verstehen, dachte ich auf dem Heimweg. Und außerdem passen Vernaccia di Oristano und Reis ganz wundervoll zusammen. Ich nehme jedenfalls bei der Zubereitung von Risotto, ganz gleich woher das Rezept stammt, immer Vernaccia di Oristano statt normalen Weißwein zum Ablöschen. Das verbessert den Geschmack des Risotto deutlich und zeigt noch einmal in besonderer Weise, dass Reis und Sardinien durchaus eine enge Beziehung entwickeln können.
Text: Hans-Peter Bröckerhoff
Fotos: Hans-Peter Bröckerhoff, iFerrari
Infos zum Unternehmen
Sede Legale: Corso Italia, 208, 09072, Cabras
Sede Operativa: Località “Pesaria” Pinna Manna, 09170, Oristano
Telefon: 0039 0783 73077
Email: info@risoiferrari.com
Aktuelle Produktlinie für Konsumenten:
Hinweis
Gleichzeitig mit dieser Reportage von einem Besuch bei einem der sardischen Reisproduzenten ein allgemeiner Bericht über Reis aus Sardinien erschienen.
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