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Zur Weinlese bei der Winzerfamilie Fulghesu im Mandrolisai

Die Einladung, mit zur Weinlese nach Meana Sardo ins Mandrolisai zu fahren, nahmen wir gerne an. Unser Freund schwärmte nur so von den 650 Meter hoch gelegenen, in Hanglage angelegten Weinbergen und von Peppe Fulghesu und seiner Familie, der das kleine Nebenerwerbs-Weingut „Le Vigne“ gehört. Der Wetterbericht verspricht einen trockenen Tag, nachdem es – für Mitte September auf Sardinien ungewöhnlich – in den zwei Tagen davor heftig geregnet hat. Wir sind also voller Vorfreude.

Die sardische Weinregion Mandrolisai liegt im Inneren der Insel, eine gute Stunde Autofahrt von Oristano entfernt, und gehört nicht zu den bekanntesten der Insel. Doch auch hier werden zunehmend hervorragende Weine produziert. Der klassische und bekannteste Wein in diesem Anbaugebiet, das im Wesentlichen die Orte Atzara, Sorgono, Ortueri und eben Meana Sardo umfasst, ist ein roter, aus drei verschiedenen Traubensorten (Bovale, Cannonau und Monica) zusammengesetzter Wein, der auch die Bezeichnung Mandrolisai trägt. Uns soll allerdings die Weinlese, die vendemmia eines weißen Weines, des Moscato, sardisch Muscadeddu, erwarten.

Fern ab der Touristenströme

Schon die Anfahrt ist ein Erlebnis, denn das letzte Stück des Weges, die Straße von Atzara nach Meana Sardo schlängelt sich kurvenreich erst in ein großes Tal hinunter, um dann wieder, ebenso kurvenreich, zu dem gut 600 Meter hoch gelegenen Dorf zu führen. Es liegt weit ab der großen Touristenströme und hat noch viel von seiner Ursprünglichkeit bewahrt. Letzteres zeigte sich schon bei der Durchfahrt daran, dass in Meana noch recht viele Frauen in Alltagstracht auf der Straße zu sehen sind. Ein Anblick, der in den meisten sardischen Dörfern in den letzen Jahrzehnten immer seltener geworden ist.

Von Meana aus geht es nochmals einige Kilometer querfeldein, zuerst über eine enge, asphaltierte Straße, dann über einen Feldweg zum kleinen Weingut mit seinen ca. zehn Hektar Weinbergen im Umfeld. Es liegt fast im Nirgendwo. Aber nur fast, denn keine zwei Kilometer entfernt thront die große und sehenswerte Nuraghe Nolza auf einem zentralen Hügel. Und ebenfalls ganz in der Nähe schlängelt sich ein einspuriger Schienenstrang durch die Landschaft. Auf dem fuhr früher die von D. H. Lawrence in seinem Buch „The Sea and Sardinia“ beschriebene Schmalspureisenbahn von Mandas nach Sorgono und fährt heute manchmal noch der sogenannte „Trenino verde“. Hier zeigt sich das „wahre“ Sardinien, das Innenland der Insel, in aller Schönheit. Hier ziehen sich die Rebstöcke, an die Weinberge an der Mosel oder im Rheintal erinnernd, steil die Hänge hinauf.

Austausch der (Wein-)Kulturen

Peppe Fulghesu, der Winzer, erklärte uns stolz, welche Sorten er hier anbaut, immerhin 13 an der Zahl. Das sind selbst für das Mandrolisai, wo traditionell unterschiedliche Weinsorten nah beieinander oder sogar auf einem Weinberg zusammen angebaut werden, sehr viele Sorten. Die hohe Zahl an verschiedenen Sorten, erfahren wir, ist dem Vater des Winzers zu verdanken, der beruflich viel in ganz Italien herumreiste. Er schickte

Peppe Fulghesu produziert als Nebenerwerbswinzer hoch geschätzte Weine.

aus vielen anderen italienischen Weinregionen Pfropfreben nach Hause, die dann dort aufgepfropft wurden. Deshalb sind etwa die Hälfte der heute hier wachsenden Sorten keine sardischen, sondern vom Kontinent, wie die Sarden das italienische Festland nennen, stammende Sorten. Und deshalb kann Peppe Fulghesu auch so interessante Cuvèes, wie seinen Jolao herstellen, der zu fast gleichen Teilen aus dem heimischen Cannonau und dem aus Apulien stammenden Primitivo besteht.

Wir erfahren auch, dass von den insgesamt knapp zehntausend Litern Wein, die der Betrieb jährlich produziert, nur ein geringer Teil auf Flasche gezogen wird und in den (meist regionalen) Weinhandel geht. Der überwiegende Teil der Produktion wird als offener Wein (vino sfuso) in der Gegend selbst verkauft. Trotzdem hat Peppe Fulghesu, der hauptberuflich in der Forstverwaltung arbeitet, aber dennoch mit Herz und Seele Winzer ist, schon eine Reihe von Auszeichnungen für seinen Betrieb und seine Weine bekommen.

Eingetrocknete Beeren – eine Freude für den Winzer

Nach einem kurzen Rundgang mit dem Winzer, bei dem wir auch noch erfahren, dass der gesamte Weinanbau hier auf kontrolliert biologische Art stattfindet, geht es endlich an die Arbeit. Die Rebstöcke hängen voller Trauben mit kleinen und zuckersüßen Weinbeeren, wie sie für den Moscato di Cagliari typisch sind. An einigen der Trauben sind die Beeren schon eingetrocknet, was den Winzer freut, weil diese seinem Wein die feine Passito-Note bzw. Beerenauslese-Note geben werden, die an seinem Moscato so geschätzt wird. Die gut 20 Erntehelfer, alles Freunde und Bekannte der Familie, sind bereits seit einiger Zeit bei der Arbeit und haben einen Teil des Weinbergs schon abgeerntet. Deshalb dauert es auch gar nicht mehr so lange (unser Rücken wird es uns danken), bis die letzte Rebenreihe von den Trauben befreit ist und diese in gut gefüllten Kisten auf den Abtransport zur Weiterverarbeitung warten. Wir gehen zurück zum Hof, waschen uns die klebrigen Hände mit dem frischen Wasser aus dem großen Brunnen des Weinguts und begeben uns zur Kelterei. Hier werden die gerade geernteten Trauben nach und nach in eine kleine, aber hochmodernen Presse geschüttet. Diese presst die Trauben und pumpt sie per Schlauch in einen Stahltank, wobei zugleich auch die Stiele entfernt werden.

Der Dessertwein Zoli aus der Moscato-Traube hat eine goldgelbe Farbe und ein sehr intensives und anhaltendes Aroma mit starken Anklängen von Blumen und Mittelmeerpflanzen sowie von eingelegten Trockenfrüchten. Er ist delikat, aromatisch und sehr süß – ein idealer Begleiter zu den Dolci sardi.

Durch die weitere Verarbeitung und eine mehrmonatige Lagerung im Holzfass wird aus den von uns gelesenen Trauben ein Dessertwein, der den Namen Zoli trägt und in der Vergangenheit auch schon Auszeichnungen erhalten hat. Er schmeckt besonders gut zu Dolci sardi und ist auch ein idealer „vino da meditazione“. Vielleicht werden wir ja im nächsten Jahr einmal vom neuen Jahrgang probieren können.

Ein „pranzo di lavoro“ wie ein Festessen

Nachdem die letzten Trauben verarbeitet sind, geht es zum gemeinsamen Mittagessen. Es ist schon spät und die Helfer sind hungrig. Deshalb wird kräftig zugelangt, als die Schwester und die Cousine des Winzers den von ihnen vorbereiteten „pranzo di lavoro“ auftragen, ein Mittagessen, das durchaus mit einem Festessen mithalten kann. Auf Wurst, Guanciale, Oliven und frittele di zucchine (Zucchinipuffer) als Antipasti folgt als primo piatto „pasta al ragù“, Nudeln mit einer sehr schmackhaften Tomaten-Soße auf Fleischbasis. Als secondo piatto servieren die beiden Köchinnen eine Art Schweinegulasch (spezzatino di maiale) mit Paprika, ein Gericht, das von den Helfern, und auch von uns, sehr viel Lob bekommt. Danach gibt es noch einen kräftigen Schafskäse, Wassermelone, Dolci und einen Kaffee.

Wir sind hier zu Gast bei einem echten Familienbetrieb. Das wird uns zunehmend klar. Hier geht es nicht so sehr um Effizienz und Produktionsoptimierung. Hier heißt arbeiten auch leben. Und dazu gehören die wunderbare Natur, Freunde, die bei der Ernte helfen, gemeinsames Essen nach getaner Arbeit und auch das eine oder andere Glas Wein zum Essen. Und es gehört auch dazu, dass die 90-jährige Mutter der vier Winzer-Geschwister natürlich mit dabei ist, wenn die Helfer sich zu Tisch setzen. Sie freut sich über den Trubel und scherzt über ihr Alter, das sie auf Nachfrage augenzwinkernd mit 25 Jahren angibt. Und dann erzählt sie von ihrem Vater, dessen Bild über dem Tisch hängt und der bei guter Gesundheit hundert Jahre alt wurde – übrigens auf den Tag genau. Denn er starb beim Festessen an seinem hundertsten Geburtstag im Kreise seiner zahlreichen Gäste an einem Schlaganfall.

Auf dem Heimweg, der uns wieder durch die wunderschöne Landschaft des Mandrolisai führt, denken wir über diese Geschichte noch eine Weile nach. Hier zu leben und zu arbeiten, gut zu essen und zu trinken, gesund sehr alt zu werden und im Kreise seiner Lieben zu gehen – das hört sich nicht nach einem schlechten Leben an.

Die Geschichte in Bildern
Die Kellerei

Das Weingut “Le Vigne” der Familie Fulghesu-Chighini wurde in den frühen 30-er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit zwei Weinbergen der klassischen Mandrolisai-Weine (als vor allem Cannonau, Bovale sardo und Monica) gegründet. 1969 wurde der Betrieb auf circa 10 Hektar vergrößert. Danach kamen verschiedene Weinsorten hinzu, die teilweise vom italienischen Festland eingeführt wurden und zu den spezifischen Klima- und Boden-Bedingungen passten. 2005 wurde dann ein neues Gebäude mit modernen Produktionsinstrumenten für die Verarbeitung und den Reifeprozess der Trauben und Weine errichtet.  Gleichzeitig begann das Familienunternehmen auch agriturismo (Ferien auf dem Bauernhof) anzubieten. 

Kontakt: Tel. 0039 0784 64320 E-Mail: peppeful@tiscali.it und nolza66@tiscali.it

Text: c) Hans-Peter Bröckerhoff

Bilder: Hans-Peter Bröckerhoff

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