Logofina

Newsletter Januar/Februar 2021

Liebe Freundinnen und Freunde der kulinarischen Welt Sardiniens,


"Not macht erfinderisch", so beginnt in der Tageszeitung "Lauterbacher Anzeiger" ein großer Beitrag über die Chefköchin Michela Muraca-Pitzulu, die mit ihrem Mann das Restaurant "Roma" im Hessischen Lauterbach führt. Als das Restaurant im November Corona bedingt wieder schließen musste, hatte Michela eine sehr erfolgreiche Idee: Sie stellt in ihrer Restaurantküche Culurgiones her und bietet sie zum Außer-Haus-Verkauf an. Ich habe die resolute und sympathische Köchin schon vor ein paar Jahren in einem sardischen Kochkurs, den ich damals geleitet habe, kennen gelernt. Das und die Freude über den schönen Erfolg einer der typischsten sardischen Spezialitäten bei deutschem Publikum haben mich zu einem Beitrag in HP's sardisch-kulinarischen Tagebuch veranlasst.
Culurgiones in Lauterbach
Artikel über die Culurgiones to go im der Lauterbacher Anzeiger
Ein anderer Zeitungsartikel war nicht so erfreulich, wie der über die Culurgiones to go in Lauterbach. Ein Beitrag in der "Mainzer Allgemeinen Zeitung" ließ mich stutzig werden. Da stand unter dem Bild: "In Sardinien werden Kakis mit Schinken und bitterem Salat kombiniert" (siehe Foto). Das ist natürlich absoluter Blödsinn. Auch das abgebildete Gericht hat mit der sardischen Küche nichts zu tun. Weder spielen Kaki noch bitterer Salat (gemeint ist in diesem Fall Radicchio) eine besondere Rolle in der sardischen Küche, noch würde eine sardische Hausfrau je einen solchen Salatteller zusammen stellen. Wenn man den Artikel, in dem es eigentlich um die Kaki-Frucht geht, liest, versteht man, warum es zu dieser falschen Behauptung kommt. Die Autorin hat das Kochbuch Isola Sarda gelesen, in dem das abgebildete Gericht zu finden ist. Und nimmt deshalb natürlich an, dass es sich um ein sardisches Gericht handele. Schließlich ist es in einem Buch mit dem Untertitel “Rezepte aus Sardinien” zu finden. Aber gerade weil ich befürchtete, dass dieses Kochbuch viele falsche Vorstellungen von der sardischen Küche verbreitet, habe ich es, als es letztes Jahr auch auf Deutsch erschien, kritisiert. Leider werden meine Befürchtungen durch diesen Zeitungsartikel deutlich bestätigt.
IMG_7434
Zeitungsartikel über die Kaki-Frucht mit der absurden Behauptung "In Sardinien werden Kakis mit Schinken und bitterem Salat kombiniert."
In Kürze ist Karneval. Wie gerne hätte ich deshalb hier dazu aufgerufen, sich den sardischen Karneval einmal vor Ort anzuschauen. Aber in Corona-Zeiten ist alles anders. Wir können nicht nur nicht reisen, der Karneval ist, wie in Deutschland, auch in Sardinien schon lange abgesagt. Aber es besteht die Möglichkeit, sich übers Essen ein wenig sardischen Karneval nach Hause zu holen. Deshalb habe ich dieses Mal für das Menü des Monats zwei Gerichte gewählt, die eng mit dem sardischen Karneval verbunden sind.

Als Piatto unico (der den ersten Gang und den Hauptgang zusammen fasst) schlage ich die Favata vor. Dabei handelt es sich um einen sehr deftigen, winterlichen Eintopf aus Saubohnen (Fave) und Schweinefleisch. Das Gericht wird traditionell in der Karnevalszeit gegessen. Das Bild zeigt eine Favata, die eine sardische Freundin aus Oristano für ein Fest im Freundeskreis vorbereitet hat. Sie wurde wieder aufgewärmt (was bei Eintöpfen den Geschmack bekanntlich nochmals verbessert) und mit etwas Wasser verlängert.
Favata von Giulia
Ein Beispiel für den sehr deftigen sardischen Bohneneintopf Favata.
Zippole in Scuderia
Als Nachtisch empfehle ich Zippole, die noch enger als die Favata mit dem sardischen Karneval verbunden sind. Insbesondere zur Sartiglia, dem traditionellen Reiterkarneval in Oristano gehören die Zippole (auch Zeppole genannt) unbedingt dazu. Sie werden in den Konditoreien und Bäckereien verkauft und bei den Festlichkeiten direkt vor Ort frisch frittiert angeboten und auch in vielen Familien zuhause zubereitet. Das Bild zeigt zwei junge Sardinnen, die in einer Scuderia frisch frittierte Zippole anbieten. In den Scuderie, den Reitställen, werden die Pferde und Reiter geschmückt, bevor sie an den Reiterspielen in der Innenstadt von Oristano teilnehmen. Die Reiter laden dazu Freunde und Bekannte ein und bewirten diese auch. So finden in der Peripherie vor Oristano sowohl am Karnevalssonntag als auch am Karnevalsdienstag unzählige kleinere Feste statt – schon vor der eigentlichen Sartiglia. Die kulinarischen Aspekte dieser Feste in den Scuderie und während der Sartiglia selbst habe ich vor einigen Jahren in einem großen Bildbericht (100 Fotos) gezeigt.
Zwei junge Sardinnen in Tracht bereiten für die Besucher einer Scuderia Zippole zu (Foto von der Sartiglia 2019)
Auch abgesehen vom Karneval ist es immer wieder schön, sich ein wenig Sardinien auf den Tisch zu holen. Wie im letzten Newsletter schon am Beispiel des frischen Schafskäses Viscidu angesprochen, ist das nicht immer so einfach, weil viele sardische Produkte zuhause nicht oder nur schwierig zu bekommen sind. Auch die kleinen stacheligen Artischocken der Sorte Carciofo della Sardegna DOC, die einfach die leckersten sind und für die auf der Insel zurzeit Hochsaison ist, gehören zu diesen schwer erhältlichen sardischen Delikatessen. Am letzten Wochenende war die Lust auf einen Artischocken-Bottarga-Salat allerdings so groß, dass ich auf dem Wochenmarkt nach Artischocken Ausschau hielt, wohl wissend, dass ich die echten sardischen nicht finden würde. Aber es gab sizilianische Artischocken der Sorte Tema (siehe Bild). Diese sind den sardischen einigermaßen ähnlich, ohne sie allerdings geschmacklich zu erreichen. Da Bottarga aus Cabras und gutes sardisches Olivenöl immer zu unseren Vorräten gehört, gab es am letzten Sonntag die lange vermissten Carciofi con Bottarga. Es schmeckte gut – auch wenn diese feine Vorspeise mit den echten Carciofi spinosi von der Insel sicherlich noch besser geschmeckt hätte.
Artischocken (nicht) aus Sardinien
IMG_7525
Sizilianische Artischocken haben dieses Mal die noch schmackhafteren sardischen Carciofi spinosi bei der Zubereitung der Carciofi con Bottarga ersetzen müssen.
Ich wünsche Ihnen / Euch, liebe Freundinnen und Freunde des kulinarischen Sardinien, weiterhin Gesundheit und möglichst viel Gelassenheit in diesen schwierigen Lockdown-Zeiten. Vielleicht können Sie sich / Ihr Euch mit der Zubereitung des einen oder anderen sardischen Gerichts auch ein wenig Sardinien auf den Tisch holen.

Ihr / Euer
Hans-Peter Bröckerhoff

NEU AUF

SARDINIEN-AUF-DEN-TISCH.EU

Pizzette sfoglia sarde

Pizzette sfoglia sarde – kleine sardische Blätterteig-Pizzen (mit Video-Anleitung)

Was, diese kleinen Blätterteig-Pizzen sind eine sardische Spezialität? Ja, man vermutet es zwar nicht, aber die Pizzette sfoglia, die man vor allem im Süden Sardiniens in vielen Bars als Zwischenmahlzeit essen kann, sind typisch sardisch. Viele Besucher der Insel und auch viele Sarden denken, dass es sich bei diesen kleinen, würzigen Blätterteig-Snacks um einen Import vom italienischen Festland handelt. Die in Cagliari geborene und lebende Food-Bloggerin Michela Carta …

Mehr lesen
Die 164 besten sardischen Weine 2021 – laut "Vinodabere"

Die 164 besten sardischen Weine 2021 – laut "Vinodabere"

Die italienische Zeitschrift "Vinodabere" hat zum dritten Mal eine aufwändige Verkostung von Weinen aus Sardinien durchgeführt und ihre 164 besten sardischen Weine gekürt. Die Experten der renommierten Weinzeitschrift bezeichnen das Ergebnis als "überzeugenden Beweise für ein weit verbreitetes und wachsendes Qualitätsniveau" bei den Insel-Weinen. Das Ziel dieser großen Blind-Verkostung war, so die Redaktion von "Vinodabere", das Interesse der Endverbraucher, der …

Mehr lesen

MENÜ DES MONATS

Antipasto / Vorspeise

Oliven aus der Salzlake

Bei einem sehr opulenten Essen reichen auch ein paar Oliven aus der Salzlake als Vorspeise. Um so schöner, wenn sie schon aus der gerade zu Ende gehenden Saison 20/21 stammen. Übrigens: nicht vergessen, die Oliven mindestes 30 Minuten vor dem Essen aus der Lake zu nehmen und in frischem Wasser (das gerne auch mehrmals gewechselt werden kann) etwas zu entsalzen.
p1030372

Piatto unico

Primo piatto / Erster Gang und zugleich auch Secondo piatto / Hauptgang

Favata - ein traditioneller Bohneneintopf (nicht nur) zu Karneval

Die Favata kommt traditionell zu Karneval auf den Tisch, wenn man mit Freunden zusammensitzt und auch in Sardinien Kälte und Regen die Lust auf deftiges Essen aufkommen lassen. Als deftiges Winteressen schmeckt sie jedoch auch ausserhalb der närrischen Zeit gut. Die reichhaltige Favata ist eher ein „piatto unico” denn ein „primo piatto“. Wer sich entscheidet, die Favata einmal auszuprobieren, sollte deshalb auf …

Mehr lesen
Favata - ein traditioneller Bohneneintopf (nicht nur) zu Karneval

Dolci / Dessert

Zippole - das typische Karnevalsgebäck

Zippole oder Zeppole (Betonung auf dem ersten Vokal) heißt das wichtigste sardische Karnevalsgebäck auf Italienisch. In den sardischen Dialekten gibt es zahlreiche Namen dafür: Zìppolas, Zippuas, Zipua oder Zipuasa, um nur einige zu nennen. Wer zu Karneval auf der Insel ist, kommt an den Zippole nicht vorbei, man begegnet ihnen überall, nicht nur beim Bäcker oder Konditor sondern auch frisch frittiert an …

Mehr lesen
IMG_6932
Teilen Sie diesen Newsletter mit Freunden und Bekannten. So wird die kulinarische Welt Sardiniens immer bekannter. (Einfach die Newsletter-E-Mail weiterleiten!)
Sie können auch jeden einzelnen Beitrag bei Facebook, Twitter und anderswo teilen, indem Sie ihn öffnen und direkt auf die entsprechenden Buttons klicken.
facebook twitter website