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Newsletter Ostern 2022

Liebe Freundinnen und Freunde der kulinarischen Welt Sardiniens!


Welche kulinarischen Besonderheiten gibt es eigentlich auf Sardinien zu Ostern? Das wurde ich vor Kurzem gefragt. Deshalb habe ich ein wenig nachgedacht, recherchiert, sardische Freunde gefragt und die Ostermenüs vieler Restaurants und Agriturismi angeschaut. So ist ein Newsletter entstanden, der etwas anders daher kommt als normalerweise. Er hat nur ein Thema, ist sozusagen ein Oster-Spezial.

Kulinarisch unterscheidet sich das Osterfest auf Sardinien nicht sehr von dem auf dem italienischen Festland. Das ist das grundsätzliche Ergebnis der Überlegungen und Recherchen. Man isst zwei Tage lang gut und viel. Klar, die Gerichte, die auf den Tisch kommen, sind meist aus der heimischen Küche und einige davon werden besonders gerne zu Ostern zubereitet. Aber das ist in den anderen italienischen Regionen ebenso. Dabei kann es durchaus sein, dass manche Gegenden oder Familien für sich bestimmte Essens-Traditionen für das Fest entwickelt haben. Aber das heißt nicht unbedingt, dass es sardinienweit bestimmte klassische Ostergerichte gibt, die nur oder hauptsächlich zu Ostern auf den Tisch kommen – mit Ausnahme der Pardulas und des Coccoi cun s'ou. Aber dazu und zum Thema Osterlamm später mehr.
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Die Gäste für das Osteressen können kommen. Foto: Villaggio Porto Corallo
Kulinarisch ist Ostern auf Sardinien, wie in ganz Italien und anderen Mittelmeerländern und eigentlich auch bei uns im Norden, ein opulentes Fest. Nach der langen Fastenzeit durfte man endlich wieder schwelgen. Das prägt das Verhalten bis heute stark, obwohl heute die Fastenzeit für die meisten Menschen keine praktische Bedeutung mehr hat.

Die beiden Ostertage gestalten sich jedoch kulinarisch recht unterschiedlich. Wie in ganz Italien gehört auch auf der Insel das große Mittagessen (Pranzo) am Ostersonntag in der Regel der Familie. Ostermontag (Pasquetta) dagegen verbringt man meist mit Freunden – wenn es geht außerhalb der eigenen vier Wände in einem Restaurant oder in einem Ferien- oder Wochenendhaus. Beim Pranzo di Pasquetta geht es normalerweise auch viel informeller zu. Es wird, wenn man privat und nicht in einem Restaurant oder Agriturismo feiert, gegrillt oder die Freunde bringen jeweils eigene Gerichte mit. Der Pranzo am Ostermontag gleicht oft eher einer lockeren Gartenparty als einem festlichen Mittagessen.
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Eine der wirklich typischen und traditionellen Oster-Spezialitäten Sardiniens: Das Coccoi cun s'ou, die Kombination aus Brot und Hühnerei. Hier eine Doppelseite aus dem Buch "Alimentos Sardos in dies di festa" (Sardische Speisen zu Festtagen) von Costantina Frau.
Pardulas (auch Formacelle oder Casadinas genannt) sind zur Osterzeit tatsächlich auf Sardinien allgegenwärtig. Sie sind (wenn auch in unterschiedlichen Formen und mit unterschiedlichen Namen) ein wirklich typisch sardisches Ostergebäck. Aber wie das manchmal so ist mit den saisonalen Sachen, die besonders beliebt sind, werden die
Pardulas mittlerweile das ganze Jahr über gebacken und verkauft.

Das ist beim Coccoi cun s'ou nicht so. Dieses kunstvoll gestaltete und mit einem Hühnerei zusammen gebackene Brot ist tatsächlich typisch sardisch und auf der Insel nur zu Ostern zu finden. Eine große Bedeutung beim österlichen Essen kommt ihm allerdings nicht mehr zu. Es ist sehr stark vom großen italienischen Schokoladen-Osterei verdrängt worden, das mittlerweile bei fast keinem sardischen Osteressen fehlen darf. Zum Abschluss des Festessens wird es (meist von den Kindern des Hauses) zerschlagen bis nur noch Stücke übrig sind, von denen sich dann jeder eines nimmt.
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Wer mehr darüber das Coccoi cun s'ou wissen möchte und italienisch versteht, findet auf der Seite www.lericettedimami.it mehr Infos, inklusive Rezept und Video.
Die Riesen-Schokoladeneier enthalten teilweise kleine Geschenke. Das erhöht die Spannung insbesondere bei den Kindern, die oft schon früh morgens darauf drängen, das Ei endlich zu zerschlagen. Die meisten dieser Eier werden industriell hergestellt. In den Supermärkten werden sie vor Ostern in langen Regalen präsentiert. Aber es gibt auch handwerklich hergestellte Eier. In die lässt man vom Konditor zu besonderen Anlässen auch schon einmal wertvolle Geschenke einlegen. Meistens führt das zu großer Überraschung und Freude bei den Beschenkten. Allerdings kann die Überraschung auch schief gehen, wie etwa die Geschichte von dem sehr wertvollen Verlobungsring zeigt, die vor einigen Jahren durch die italienische Presse ging. Weil sie keine Bitter- sondern lieber Vollmilchschokolade mochte, hatte die ahnungslose Beschenkte das Ei weiter verschenkt, der Ring blieb trotz intensiver Recherche für immer verschwunden.

Wie das Riesen-Osterei ist auch die Colomba ein fester Bestandteil der kulinarischen Osterzeit auf Sardinien. Auch dieser, dem weihnachtlichen Panettone ähnliche Kuchen in Form einer Taube (colomba) kommt ursprünglich vom Festland. Aber ein Blick in die vorösterlichen Regale der Supermärkte zeigt, dass die Colomba heute auch auf Sardinien zum Osterfest einfach dazu gehört. Neben der klassischen Version werden heute – auch auf Sardinien – zig unterschiedliche Varianten angeboten. Es gibt mittlerweile auch sardische Konditoren, die Colombe herstellen. Manchmal geben sie ihren Kuchen auch eine besondere, typisch sardische Note, etwa durch die Zugabe des berühmten sardischen Mirto, dem aus Myrthenbeeren hergestellten Likör.
Colomba Uovo
So sieht es in einem sardischen Supermarkt vor Ostern aus.. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt der langen Regal-Reihen mit Colombe (Osterkuchen) und Uove da Pasqua Riesen-Schokoladeneier).
Kommen wir zum Osterlamm. Natürlich spielen Lammgerichte zu Ostern auf Sardinien traditionell eine wichtige Rolle. Wie könnte es auch anders sein, bei mehr als drei Millionen Schafen auf der Insel. Dennoch ist das Lammessen zu Ostern nicht unbedingt typisch sardisch. Lamm kommt auch auf dem italienischen Festland zu Ostern häufig auf den Tisch. (Die Hälfte der auf dem Festland zu Ostern verspeisten Lämmer stammt übrigens aus Sardinien.) Und selbst in Nordeuropa gilt Lamm als typisches Osteressen. Zudem wird Lamm auf Sardinien nicht nur zu Ostern, sondern auch zu Weihnachten viel gegessen. Es ist zwar oft ein Festessen, aber eben nicht nur ein Osteressen.

Es scheint jedoch auf der Insel eine Tendenz zu geben, dem Lamm kulinarisch weniger Beachtung zu schenken. Meine Nachfragen bei sardischen Freunden und die Durchsicht vieler Ostermenüs von Restaurants auf Sardinien bestätigten meinen schon länger gehegten Verdacht, dass auf der Insel die Bedeutung der Lammgerichte zu Ostern (und auch sonst) eher abnimmt. Während das gegrillte Schweinchen oft auf der Karte stand, waren Lammgerichte (ob gegrillt oder „in umido“, also mit weiteren Zutaten geschmort) seltener zu finden. Auch im Freundeskreis gab es auf die Frage nach Lamm zu Ostern überwiegend Kopfschütteln als Antwort.
Lammgrillen in dBidoni
Hier steht das Osterlamm noch im Mittelpunkt. Im kleinen Dorf Bidonì wird jedes Jahr zu Ostermontag (Pasquetta) ein großes Dorffest gefeiert, bei dem 'zig Lämmer gegrillt werden. Gäste von nah und fern sind willkommen. Hier ein Video aus dem Jahre 2018 dazu.
Ich persönlich finde das sehr schade, weil ich Lamm, erst recht das zarte Fleisch des sardischen Milchlamms, in jeder der vielen Zubereitungsformen sehr gerne esse. Wenn mein Eindruck stimmt, dass die Liebe der Sarden zu Lammgerichten abnimmt, wäre das nicht nur aus kulinarischen Gründen schade. Es gibt viele Gründe, die für die Lammgerichte sprechen: Lammfleisch ist sehr gesund. Die sardische Schafzucht ist eine sehr nachhaltige Tierhaltung und wird den Ansprüchen an das Tierwohl hundertprozentig gerecht. Und der Verkauf der Lämmer ist auch wirtschaftlich für die sowieso schon durch niedrige Milchpreise gebeutelten sardischen Schäfer sehr wichtig.

Auch vor diesem Hintergrund kann ich allen Freunden der sardischen Küche nur raten, auch einmal im Winter und im Frühjahr, zum Beispiel zu Ostern, auf die Insel zu reisen. Probieren Sie / probiert dann doch einmal eines der leckern sardischen Lammgerichte. Und wenn im Restaurant keines auf der Karte steht, fragen Sie / fragt den Wirt ruhig danach. Vielleicht hilft das ja, dass die sardischen Gastronomen die wunderbaren Lammgerichte wieder häufiger auf die Speisekarten setzen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen / Euch, trotz der bedrückenden politischen Umstände, die zurzeit herrschen, ein frohes Osterfest mit vielen kulinarischen Genüssen.
Bearbeite dies, um Text einzufügen.

Ihr / Euer
Hans-Peter Bröckerhoff

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MENÜ DES MONATS

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Dieses Foto ist in Deutschland entstanden. Ich habe (während des Lockdowns) probiert, die Pardulas, die diesen Monat wieder als Dessert vorgeschlagen werden, auch in Deutschland zu backen. Es hat funktioniert und ein wenig darüber hinweg geholfen, dass wir Ostern nicht in Sardinien sein konnten

Antipasto / Vorspeise

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Das ist eine typische Auswahl für die Antipasti Terra, die Vorspeisen mit eingelegtem Gemüse, verschiedenen Schinkenarten, Wurst und Käse.

Primo piatto / Erster Gang

Ravioli di ricotta e spinaci (o bietole) – Ravioli mit Ricotta und Spinat (oder Mangold)

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Dolci / Dessert

Pardule (Pardulas) zu Ostern

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Wer nach den Pardulas noch Appetit hat kann auch noch ein Stück Colomba essen. (Hier die mit Mirto.) Sie passt aber auch gut zum deutschen Nachmittagskaffe oder zum italienischen Frühstück. Foto: lasardegnanostraterra
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