Die Cantina Su’entu ist ein modernes sardisches Weingut, das erst vor wenigen Jahren mitten in die Weinberge gebaut wurde. Es liegt knapp zwei Kilometer außerhalb des mittelalterlichen Städtchens Sanluri in der Marmilla. Man erreicht die architektonisch eindrucksvolle, auf einem Hügel gelegene Kellerei über eine lange, staubige Auffahrt, die beidseitig von Weinbergen gesäumt wird. Trotz dieser Lage weitab von den größeren Städten und den touristischen Zentren Sardiniens zieht das Weingut mit kulinarischen Veranstaltungen immer wieder hunderte, teils sogar mehrere tausend Besucher an. Letzteres habe ich im letzten September selbst erlebt. Damals, als vier der zurzeit angesagtesten Pizzerien Sardiniens vor Ort ihre Gourmet-Pizzen buken und anboten, kamen so viele Gäste, dass die Pizzabäcker fast an ihre Kapazitätsgrenzen stießen.
Eventkultur unter Corona-Bedingungen
Ich war gespannt, wie eine solche Veranstaltung jetzt im Juli 2020 unter Corona-Bedingungen verlaufen würde. Die Cantina Su’entu hat, nachdem die italienische Regierung wieder Veranstaltungen unter Beachtung bestimmter Sicherheitsregeln erlaubt hatte, sofort zu Events eingeladen. Für eines davon, die kulinarische Weinprobe am 23. Juli, hatte ich mich angemeldet, um zu sehen, wie so etwas funktionieren kann.
Das Weingut besitzt eine große Terrasse mit Panorama-Blick auf die Hügel der Marmilla, die Giara di Gesturi und die fernen Gipfel des Gennargentu. Diese und ein großzügige Degustations- und Verkaufs-Halle bieten der Cantina gute Voraussetzungen, die Tradition der Verkostungs-Veranstaltungen wieder aufzunehmen. Domenico Sanna ist bei Su’entu für die Events verantwortlich. Er begründete die Entscheidung, wieder Veranstaltungen zu organisieren, unter anderem mit diesem großen Platzangebot, das nach den aktuellen Regeln 220 Gäste erlaubt. Die Interessenten mussten sich anmelden, in den Innenräumen einen Mund-Nase-Schutz (in Italien mascherina genannt) tragen und die Abstandsregeln beachten. Und die Mitarbeiter der Cantina trugen auch im Außenbereich den ganzen Abend über ihre „mascherina“.
Degustations-Veranstaltungen mit kulinarischer Begleitung als Teil des Marketingkonzepts
Die Veranstaltung trug den Titel „Aperitivo con … Mamadou e Laura“ und war schon die zweite nach der langen Corona-Zwangspause. „Wir arbeiten hier bewusst mit kleineren Gastronomiebetrieben zusammen. Denn wir wollen nicht nur uns und unseren Kunden etwas Gutes tun, sondern auch dem Gastronomie-Sektor der Insel, der unter der Krise ja besonders leidet“, erklärte mir Valeria Pilloni das Konzept der aktuellen Veranstaltungsreihe. Die junge Frau ist die Geschäftsführerin des Weinguts, das ihr Vater, Salvatore Pilloni, ein erfolgreicher Unternehmer aus Sanluri, vor fünf Jahren auf der Basis eines kleinen, von seinem Vater ererbten Weinbergs gegründet hat.
Der Betrieb bewirtschaftet heute mehr als 60 ha Rebfläche (vor allem Vermentino, Bovale und Cannonau) und ist dabei, die Anbaufläche weiter zu vergrößern. Die Weine der hochmodernen Kellerei haben sich in kurzer Zeit in der Fachwelt und bei Weinliebhabern einen Namen gemacht. Und das nicht nur auf der Insel, denn der Betrieb exportiert seine Weine weltweit. Zu diesem schnellen Erfolg haben eine offensichtlich gute Arbeit im Weinberg und die Leistung eines der zurzeit besten Önologen der Insel, Piero Cella, beigetragen. Zudem ist der Erfolg sicherlich auch einem wirksamen Marketing geschuldet. Zum Marketingkonzept gehören auch die vielen Veranstaltung, zu denen Kunden und Interessenten teils von weit her anreisen.
Leckereien der edlen Panino-Werkstatt aus Cagliari
Doch zurück zur Veranstaltung: Koch und Köchin, Mamadou und Laura, die sich an diesem Abend um das leibliche Wohl der Gäste kümmerten, sind Mitarbeiter des Imbiss-Anbieters PANINO.EAT in Cagliari, einer Ausgründung von CUCINA.EAT (Restaurant und Laden für Wein, Delikatessen und Küchenutensilien). Auf dem Speiseplan standen an diesem Abend zwei Spezialitäten von PANINO.EAT: „Spadino“, ein Brötchen (Panino) aus besonderem Vollkornbrot mit geräuchertem Schwertfisch, Auberginen, marinierten Tomaten und Salat, sowie „Polpetta e scarpetta“, einen Becher mit Fleischbällchen (Polpette) aus Rinderhack mit Tomatensoße, Pecorino sardo und Brot-Ecken. Die Gäste genossen die Leckereien sichtlich und probierten dazu die Weine der Cantina. Diese wurden zu einem kleinen Kostenbeitrag ausgeschenkt. Für 6 Euro erhielt man eine Umhängetasche mit einem hochwertigen Probierglas und zwei Bons. Wer mehr als zwei Gläser Wein probieren wollte, konnte sich weitere Bons kaufen (3 Euro pro Bon).
Exzellente Weine, leckere Snacks, Musik vom DJ und viele gut gelaunte Gäste – es war ein gelungener Abend. Offensichtlich ist das Experiment, trotz der Kontaktbeschränkungen wieder mit Veranstaltungen zu beginnen, geglückt. Angenehm überrascht und zufrieden habe ich mich auf den Heimweg gemacht – allerdings nicht ohne mir ein paar Flaschen SU’NICO (Bovale) mitzunehmen, der mittlerweile zu meinen persönlichen Lieblingsweinen gehört.
Impressionen von einer gelungenen kulinarischen Weinprobe zu Corona-Zeiten
Infos und Lage
Die Cantina Su’entu bietet neben den großen Veranstaltungen auch Weinproben für kleine Gruppen und Kellerei-Führungen an. Hier mehr dazu in deutscher Sprache: https://www.cantinesuentu.com/de/visite/
Text und Fotos: Hans-Peter Bröckerhoff
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