Die Seadas (oft auch Sebadas genannt) sind wohl das typischste sardische Dessert. Diese großen, mit Käse gefüllten Teigtaschen dürften die meisten Sardinienurlauber schon einmal gegessen haben. Als „Seadas di Sardegna IGP“ sind die ungewöhnlichen Köstlichkeiten jetzt in den Olymp der europäischen Spezialitäten aufgenommen worden. Denn sie haben die Bezeichnung IGP (Indicazione Geografica Protetta, auf deutsch „geschützte geografische Angabe“ / g.g.A) zugesprochen bekommen, die in Deutschland zum Beispiel auch Schwäbischen Maultaschen haben.
Normalerweise ist die Bezeichnung eines IGP-Produktes eindeutig. Im Falle der Seadas ist das ein wenig anders. Denn hier lautet die geschützte Bezeichnung unter Berücksichtigung der sprachlichen Varianten, die in den verschiedenen Subregionen Sardiniens vorherrschen, nicht nur Seadas, sondern auch Sabadas und (nicht so häufig vorkommend) Seattas, Savadas oder Sevadas, jeweils mit dem Zusatz „di Sardegna IGT“.
Der aus Hartweizen-Grieß, Schmalz, frischem Pecorino oder Kuhmilchkäse und Zitronenabrieb hergestellte Riesen-Raviolo wird frittiert und mit Honig (oder Zucker) beträufelt als Nachtisch gegessen. Er wird in der sardischen Gastronomie und von Teigwaren-Manufakturen (größtenteils über den Lebensmittelhandel) angeboten. Schätzungsweise werden auf Sardinien jährlich zwei Millionen Stück produziert, was etwa 1.600 Doppelzentnern entspricht und einen Umsatz von über 2,5 Millionen Euro bedeutet.
Das IGP-Siegel erfordert einen lange Anerkennungs-Prozess
Dass sich die Seadas nun mit dem IGP-Siegel schmücken können, ist eine wichtige Neuerung. Denn dieses Siegel und das DOP-Siegel (Denominazione d’Origine Protetta) sind höchsten Anerkennungen in Europa für Lebensmittel (siehe zu beiden den Wikipedia-Eintrag). Die Anerkennung der Seadas bzw. Sebadas als IGP-Produkt unterstreicht deren Bedeutung für die Küche Sardiniens.
Mit den Seadas erhöht sich die Zahl der sardischen Produkte, die das gelb-blaue Siegel erhalten haben, auf drei. Vorher wurde es schon dem sardischen Lamm, dem Agnello di Sardegna IGP und den kunstvoll geschlossenen Ravioli mit Kartoffelfüllung, den Culurgionis d’Ogliastra IGT verliehen. Hinzu kommen noch sechs sardische Lebensmittel mit der Bezeichnung DOP. Das sind die drei Schafskäse-Sorten Pecorino sardo, Pecorino Romano und Fiore sardo, das sardische Olivenöl Olio extravergine di Oliva Sardegna, der sardische Safran Zafferano di Sardegna und die kleinen stacheligen Artischocken Carciofo Spinoso di Sardegna.

Das Verfahren zur Erlangung des IGP-Siegels dauerte vier Jahre. Die Initiative ging von diesen Herstellern aus: La casa della nonna aus Bolotana, Laboratorio di pasta fresca e pasticceria di Ricardo Marci aus Cardedu, die Teigwarenfabriken Contini aus Santa Giusta, Calitai aus Cagliari, Antonio Cossu aus Iglesias, I Sapori d’Ogliastra di Vito Arra, Panificio La forneria di Marco Orrù aus Cagliari, Biscottificio Demelas aus Stintino und La Sfoglia d’Oro aus Sassari. Sie hatten ein Förderkommite gegründet und für die Anerkennung der Seadas als Seadas di Sardegna IGP bekämpft. Als dann im vergangenen Jahr (2023) die italienische Regierung den Antrag nach Brüssel zur EU geschickt hat, kam von dort auch relativ schnell die Bestätigung. Die Seadas di Sardegna IGP sind offiziell anerkannt.
Für die Seadas di Sardegna IGP-Siegel müssen bestimmte Regeln eingehalten werden
Wer als Produzent künftig den Namen Seadas di Sardegna IGP und das Siegel verwenden möchte, muss sich an die bestimmte Spezifikationen halten. Diese bauen auf dem klassischen, aus der Barbagia und der Ogliastra stammenden Rezept auf, erlaubt aber auch kleine Abweichungen. Die für die IGP-Anerkennung verlangten Merkmale sind in einem discplinare, einem Regelwerk, festgehalten. Hier die wichtigsten: Die Seada di Sardegna IGP müssen in Sardinien hergestellt werden, dürfen nicht mehr als 300 Gramm wiegen und müssen Hartweizen-Grieß, Schmalz, Käse (Schafs-, Ziegen- oder Kuhmilchkäse) sowie Orangen- oder Zitronenabrieb enthalten. Zucker in der Füllung und Eigelb im Teig entsprechen zwar nicht dem Urrezept, sind aber erlaubt. Zum Schluss werden die Seadas mit Honig oder Zucker bestreut.
Die kleinen Abweichungen vom „Original“ sind von den Entwicklern des disciplinare (Regelwerks) bewusst zugelassen worden. „Die typischen Charakteristika der Rohstoffe und der Wert des Handwerks müssen aber gewahrt bleiben“, erklärt Vito Arra vom Förderkomitee gegenüber der italienischen Presseagentur ANSA und unterstreicht: „Diese Anerkennung ist eine Quelle des Stolzes für die sardische Agrar- und Ernährungsindustrie und eine große Genugtuung für unsere Region.“

Übrigens kann man die Seadas auch selbst herstellen, wenn auch gar nicht so einfach
Natürlich kann man diese Spezialität auch zuhause selbst herstellen. Allerdings ist das wegen des im Originalrezept vorgesehen leicht säuerlichen, sehr jungen Schafskäses nicht ganz einfach. Den bekommt man schon auf der Insel nur zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten, zuhause im Norden jedoch praktisch gar nicht. Alternativ kann man jungen Pecorino (oder anderen Käse) nehmen und ihn ein bis zwei Tage bei Zimmertemperatur ansäuern lassen.
Einfach nur Käse zu reiben und damit die Seadas zu füllen, hat nichts mit dem Originalrezept zu tun. Es führt auch nicht zum gewünschten Ergebnis, denn damit der Käse beim Essen richtig schön Fäden zieht, braucht es den leicht gesäuerten und sehr jungen Käse, der vorab geschmolzen wird und dann als kompakte Masse weiterverarbeitet wird.
Für alle interessierten hier noch zwei Videos:
Text: Hans-Peter Bröckerhoff
Bilder: Japs 88 / Wikipedia Common, Osteria „Sa Domu Sarda“ in Cagliari (Aufmacher), Hans-Peter Bröckerhoff
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