Wie die Bar-Trattoria Ghentiana, eine kleine, sehr authentische Gaststätte in einem Sechshundertseelen-Dorf im sardischen Inland, durch Medienberichte zu einer nationalen und internationalen Bekanntheit gelangte. Vom wiederholten Besuch bei Valter Vargiu, dem sympathischen Koch-Autodidakten, der eine so gute sardische Landküche auf den Tisch bringt, dass Journalisten gerne darüber berichten.
Spontan hatten wir uns letzten Donnerstag entschlossen, wieder einmal zu Valter Vargiu zum Mittagessen zu fahren. Wir wollten einfach mal raus. Denn nach mehreren Regentagen schien endlich die Sonne (wenn auch nur für ein paar Stunden) und uns gefiel der Gedanke an einen Spaziergang in den Hügeln hinter dem Monte Grighine und an ein leckeres Mittagessen in der Trattoria Ghentiana.
Diese unscheinbare Gaststätte (Bar-Trattoria) im (sehr) kleinen Dorf Ruinas hatten wir schon im Oktober 2020 entdeckt, als wir in der Gegend Pilze suchen wollten. Wir hatten damals so außergewöhnlich gut und zudem auch noch günstig gegessen, dass ich die Trattoria Ghentiana daraufhin in einem größeren Artikel auf SARDINIEN AUF DEN TISCH als „Geheimtipp“ vorgestellt hatte.
Wir waren zwischenzeitlich noch zweimal dort gewesen. Beim ersten Wiederkommen hatte uns der hochsympathische Wirt und Koch-Autodidakt erzählt, dass seit dem Erscheinen meines Artikels viele Deutsche bei ihm zum Mittagessen vorbeikämen, besonders Motorradfahrer, die die kurvigen Strecken in der Gegend lieben.
Seine Ravioli mit Steinpilzsoße seien meist das Gericht, nach dem die deutschen (und wahrscheinlich auch österreichischen und schweizer) Gäste sofort fragten, betonte Valter. Also genau das, was er uns beim ersten Besuch vorgesetzt hatte und was ich in meinem Artikel damals als so herausragend beschrieben hatte. Er habe daraufhin seine Vorräte an Steinpilzen aufgestockt, berichtete Valter weiter und fügte, auf mein fragendes Gesicht reagierend, hinzu, er friere die Pilze ein, um auch außerhalb der Pilz-Saison welche anbieten zu können.
Mittlerweile sind nicht nur die Ravioli mit Steinpilzsoße sehr gefragt. Auch sein Wildschschweinkopf-Salat, den wir beim zweiten Besuch als Vorspeise kennengelernt hatten, ist zum Renner geworden. Warum das so ist, erzählte Valter uns jetzt bei unserem Besuch in der letzten Woche.
„Renner“ in der Bar-Trattoria Ghentiana: Ravioli mit Steinpilzsoße und Wildschweinkopf-Salat
Der Journalist Davide Paolini von der renommierten italienischen Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“ (vergleichbar mit dem deutschen Handelsblatt) hatte das Gericht in einem kleinen Artikel besonders hervorgehoben. Bei seiner kulinarischen Tour auf den Spuren der Hülsenfrüchte in der Marmilla hat Paolini auch in der Trattoria Ghentiana Halt gemacht. Was ihn bei Valter Vargiu besonders beeindruckt hatte, waren allerdings nicht dessen Gerichte mit Hülsenfrüchten, sondern der Wildschweinkopf-Salat.
Nach Erscheinen von Paolinis Artikel, erzählte Valter nicht ohne Stolz, kämen viele neue Gäste vom „Kontinent“, wie die Sarden das italienische Festland nennen. Diese fragten zumeist nach der ungewöhnlichen, in der Zeitung so gelobten Vorspeise aus dem Wildschweinkopf. Das sei ein richtiger Renner geworden. Ob er denn auch genug Wilschweinköpfe zur Verfügung habe, wollte ich wissen – die klare Antwort: ja.
Denn Valter bringt in seiner Trattoria oft Wildschwein auf den Tisch – meist in Rotwein geschmort und mit Kräutern aromatisiert. Deshalb hat immer wieder auch einen Wildschweinkopf zur Verfügung. Der wird zunächst gekocht. Wenn er abgekühlt ist, wird das Fleisch von den Knochen geschält und in Stücke geschnitten, mit etwas Petersilie, zerkleinerten getrockneten Tomaten, gekochten Zwiebeln und Oliven aus der Salzlake vermengt. Damit hat er einen Vorrat, von dem uns Valter eine gut gefüllte Schüssel zeigte (siehe Bild). Vor dem Servieren kommt dann noch Olivenöl dazu sowie gegebenenfalls etwas Salz und Pfeffer und die ungewöhnliche Vorspeise ist fertig.
Auch mir hat dieser außergewöhnliche Fleisch-Salat beim zweiten Besuch in der Trattoria Ghentiana im Oktober 2021 gut geschmeckt. Aber mein italienischer Kollege war offenbar so angetan von Valters Kreation, dass er das auch in seinem Artikel zum Ausdruck brachte. Denn er wählte nicht nur die Überschrift „Der Kopf des Wildschweins – was für eine leckere Überraschung!“. Bei der Aufzählung all der tollen Gerichte, die er bei Valter Vargiu genießen konnte, setzte er beim Salat vom Wildschweinkopf hinzu: „ein Gericht, das ich noch nie probiert habe, sehr lecker“. Das haben wohl viele seiner Leser als Empfehlung gelesen und bei ihrem Sardinien-Urlaub einen kulinarischen Abstecher nach Ruinas gemacht.
Und das ist nicht alles. Zwischen meinem Artikel Ende 2020 und dem des italienischen Kollegen im letzten Jahr, bekam die Trattoria Ghentiana im Oktober 2022 auch noch Besuch von einem englischen Fernseh-Team. Ob der daraus entstandene Film ebenfalls neue, dieses Mal englische Gäste in die Trattoria führte, hat Valter mir nicht gesagt, aber ein wenig stolz hat ihn diese weitere internationale Beachtung schon gemacht.
Trotz der internationalen Bekanntheit weiterhin eine authentische Dorf-Gaststätte
So ist binnen weniger Jahre aus der unscheinbaren Dorf-Gaststätte eine kleine Berühmtheit geworden, obwohl sie abseits von den Touristenströmen, eine gute halbe Autostunde von Oristano entfernt in den nördlichen Ausläufern der Marmilla liegt. Aber keine Angst: Valter kocht weiterhin vor allem für die Menschen aus seinem Dorf und den Nachbardörfern. Seine Trattoria ist noch immer ein authentische Dorf-Gaststätte.
Die über Sardinien hinaus gehende Beachtung ist dem Selfmade-Koch nicht in den Kopf gestiegen. Die Qualität und Originalität seines Essen ist nach wie vor sehr hoch und das Preis-Leistungs-Verhältnis weiterhin richtig gut – auch wenn das Mittagessen, wie in fast allen Restaurants, in den letzten Jahren etwas teurer geworden ist. Aber vor allem: Valter ist seinen Gästen immer noch sehr zugetan: Mit einer Empfehlung, einem Scherz oder einer kleinen Geschichte macht er den Besuch in der Trattoria Ghentiana zu mehr als nur einem kulinarischen Erlebnis.
Text und Bilder: Hans-Peter Bröckerhoff
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Immer wieder ein Genuss ihre Artikel über Sardinien und den Rezepten, die ich gerne koche.
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Mariella Lombardo