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Porcetto oder Porceddu? – Die geschützte geografische Herkunftsbezeichnung (Igp) für das sardische Schweinchen kommt

Wie soll das berühmte sardische Milchschweinchen in der kommenden Igp (Indikation geografica protetta, geschützten geografischen Herkunftsbezeichnung) bezeichnet werden: Porcetto oder Porceddu? Das manchmal als das Nationalgericht der Sarden bezeichnete sardische Schweinchen (hier mehr dazu) soll endlich auch ein Igp-Label bekommen. Es fehlt nur noch die Anerkennung vom Landwirtschaftsministerium in Rom. Die Antragsteller haben sich dabei für den italienischen Begriff „Porcetto“ und gegen einen sardischen Begriff entschieden. Das führt zu einer öffentlich ausgetragenen Kontroverse.

Wenn es in sardischen Familien etwas zu feiern gibt oder wenn Freunde zum geselligen Pranzo oder Cena zusammenkommen, gibt es oft Porceddu (oder Porcheddu oder wie auch immer es im lokalen Dialekt heißt) auf den Tisch. Und bei den Touristen ist dieses außergewöhnliche Gericht auch sehr beliebt. Aber kommen die verwendeten Schweinchen auch wirklich immer aus sardischen Zuchtbetrieben? Bei der Menge an Tieren, die besonders in der Touristensaison verzehrt werden, sicherlich nicht.

Deshalb ist die Idee nachvollziehbar, auch für das sardische Milchschweinchen eine geschützte geografische Herkunftsbezeichnung einzuführen. Dieses Igp-Label würde dabei helfen, die wirklich aus auf der Insel produzierten Schweinchen zu kennzeichnen und dem Verbraucher mehr Sicherheit zu geben. Denn ein solches Label gibt nicht nur die Herkunft an, es steht auch für genau definierte Qualitätsmerkmale bei der Produktion der jeweiligen Lebensmittel.

Bei diesem Anblick lauft den meisten Sarden und auch vielen Sardinienfreunden das Wasser im Mund zusammen.

In Italien hat das Igp-Label eine weit größere Bedeutung als in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dort versuchen viele Produzenten typischer landwirtschaftlicher Produkte und auch die politischen Institutionen der jeweiligen Regionen und Subregionen ihre besonderen Produkte mit dem Label Igp zu schützen und aus der Masse der Produkte herauszuheben. Und auch für die Verbraucher in Italien ist das Label viel wichtiger als für Verbraucher bei uns im Norden. Beispiele für eine solche geschützte Herkunftsbezeichnung auf Sardinien sind der „Carciofo Igp di Sardegna“ oder das „Agnello Igp di Sardegna“.

Mittlerweile ist die Spezifikation auch für das „Porcetto Igp di Sardegna“ fertig. Darin heißt es, dass das Porcetto Igp in Sardinien geboren und aufgezogen werden muss. Es gibt drei Gewichtsklassen: Milchschweinchen mit zwischen 5 und 10 kg, leichtes Schweinchen mit 10 bis 15 kg und „Porchettone“ mit 15 bis 25 kg.

Die Arbeitsgruppe, die die Spezifikation erarbeitet hat, hat dabei Züchter und Schlachthof-Betreiber einbezogen und arbeitete auch mit Wissenschaftlern on verschiedenen Institutionen und von den beiden Universitäten von Cagliari und Sassari zusammen. Jetzt geht es darum, dass die Region Sardinien das Genehmigungsverfahren beschleunigt, damit das Dokument bald auf dem Tisch des Landwirtschaftsministeriums in Rom liegt und bis Weihnachten endgültig genehmigt wird.

Soweit scheint also alles gut zu laufen. Der Regionalpräsident des Bauernverbands Coldiretti, Battista Cualbu, äußert sich deshalb gegenüber der sardischen Tageszeitung LA NUOVA sehr zufrieden: „Wir haben die Schweinepest endgültig ausgerottet. Nach den Erfahrungen mit dem ‚Agnello Igp di Sardegna‘ wäre dies (die Anerkennung des Porcetto Igp, die Redaktion) ein weiteres großartiges und historisches Ergebnis für uns.“

Porcetto oder Porceddu?
Als dieses Bild vor einigen Jahren auf einem sardischen Bauernhof aufgenommen wurde, konnten die selbst produzierten Schweinchen zwar im eigenen Agriturismo oder anderswo auf Sardinien gegessen, wegen der Schweinepest aber nicht exportiert werden. Das ist heute anders. Auch deshalb wurde das Igp-Label erarbeitet und deshalb steht sich heute die Frage Porcetto oder Porceddu.

Italienischer Begriff oder sardischer – Porcetto oder Porceddu?

Dass das sardische Milchschweinchen jetzt auch ein Igp-Label bekommt, wird nicht nur von den Erzeugern selbst, sondern allgemein begrüßt. Allerdings wird die Frage Porcetto oder Porceddu diskutiert. Die Benennung des Labels wird teils kritisch gesehen, weil der italienische Begriff „Porcetto“ gewählt wurde. Denn das Schweinchen wird von den Sarden selbst anders genannt. Und auch den meisten ausländischen (und wahrscheinlich auch italienischen) Touristen ist es als „Porceddu“ oder „Porcheddu“ bekannt. Insgesamt gibt es sogar noch viel mehr Benennungen auf der Insel: “Porcheddu” “Poscheddu”(im Logudorese), “Porceddu” “Procceddu” (im Campidanese) Pulceddu, Pulcheddu (im Gallurese) oder Coppieddu (in der Ogliastra), um nur die Namen mit einigermaßen weiter Verbreitung zu nennen.

Die Wahl des italienischen Begriffs „Porcetto“ für das neue Igp wird von Kritikern als eine Bezeichnung gesehen, die die sardische Identität des Produkts nicht wirklich respektiert. So sagt die Anthropologin und Journalistin Alessandra Guigoni gegenüber der LA NUOVA: „Die Attraktivität typischer, traditioneller Lebensmittel hängt auch von der Bezeichnung ab, die die Originalität, die Authentizität und das Interesse erhöht. Identitätsprodukte haben einen geografischen Ursprung, eine Geschichte, eine Kultur, wenn wir den Namen wegnehmen, nehmen wir ihnen ein Stück ihrer Seele und der Faszination, die sie auf die Verbraucher ausüben.“

Dem würde ich grundsätzlich zustimmen und ebenfalls für einen sardischen Begriff plädieren. Zumal auch für Ansprache ausländischen Sardinienfreunde, für die ich ja hauptsächlich schreibe, ein solcher sardischer Begriff besser wäre. Denn das sardische Spanferkelchen (ob gegrillt oder aus dem Backofen) hat sich in der jüngeren Vergangenheit weit über Italien hinaus als einer der Stars der sardischen Küche etabliert – und zwar zumeist unter dem Namen Perceddu.

Auch Argumente für „Porcetto“

Doch auch für den italienischen Begriff gibt es Argumente. Bei einem sardischen Begriff würde sich die Frage stellen, welchen der regional unterschiedlichen Begriffe man denn nehmen sollte. Da gibt es ja jetzt schon immer mal wieder „Streit“ zwischen verschiedenen Gegenden Sardiniens. Der italienische Begriff scheint da ein (wenn auch nicht ganz glücklicher) Ausweg, zumal die Hälfte der Sardinienbesucher vom italienischen Festland kommt und mit dem Begriff Porcetto direkt etwas anfangen kann.

Außerdem wollen die Initiatoren des neue Igp die sardischen Schweinchen auch auf das italienische Festland exportieren, denn das ist ja jetzt nach der Beendigung der Restriktionen durch die Schweinepest wieder möglich. Auf dem „Continente“ funktioniert der gewählte Begriff sicherlich gut. Und zur Befriedung der Diskussion soll es auf der Insel erlaubt sein, auch die Begriffe Poceddu oder Pocheddu im Kontext des Siegels zu verwenden. Man wird sehen, was sich dann im Alltag durchsetzen wird.

Das wahrscheinlich wichtigere Problem

Noch eine Anmerkung: Das eigentliche Problem des neuen Igp-Labels könnte vielleicht gar nicht die Frage Porcetto oder Porceddu sein, sondern ein Phänomen, das heute auch beim „Agnello Igp di Sardegna“ zu beobachten ist. Nämlich das, dass viele, besonders kleinere, sardische Schweinezüchter, das Label gar nicht verwenden werden. Denn es wird ihnen zu teuer sein, die formalen Voraussetzungen dafür zu erfüllen. Und viele Erzeuger haben ohnehin einen bekannten Kundenkreis, der die regionale Herkunft und die hohe Qualität ihrer Produkte kennt und für den sie das neue Siegel nicht benötigen. Die Frage Porcetto oder Porceddu stellt sich dann gar nicht.

Text und Bild: Hans-Peter Bröckerhoff

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Hans-Peter Bröckerhoff
Der Herausgeber dieser Website ist der Journalist und Kommunikationsberater Hans-Peter Bröckerhoff. Er ist zudem Autor des Buches "Die Küche Sardiniens – Ein kulinarisches Erlebnis im Urlaub und zuhause".

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