Das neueste Buch zur Küche Sardiniens, „La Cucina Sarda“ (Die sardisch Küche, erschienen im Frühjahr 2019) ist ein großes, dickes und reich bebildertes Lesebuch. Es gibt einen Einblick in die heutige kulinarische Welt Sardiniens. Es ist voller Rezepte, aber dennoch kein klassisches Kochbuch, sondern eher ein kulinarisches Reisebuch, das neben den Rezepten immer wieder über typische Produkte und Weine berichtet und verschiede Köchinnen und Köche der Insel vorstellt. Schon vorab sei gesagt: Das Buch ist sehr lesenswert – auch wenn es als Rezeptbuch zum Nachkochen nur eingeschränkt zu empfehlen ist.
Es ist nicht ganz einfach, ein Buch zu einem Thema zu besprechen, zu dem man selbst auch eines geschrieben hat („Die Küche Sardiniens“, zurzeit vergriffen). Denn man sieht das neue Buch mit anderen Augen. Es sind eben nicht die eines neutralen Rezensenten. Die eigene Vorliebe für das Thema, in diesem Fall die sardische Küche, kann dazu verleiten, dem Buch entweder besonders enthusiastisch und positiv zu begegnen oder besonders kritisch. Ich will versuchen, beide Extreme zu vermeiden und einigermaßen ausgewogen zu beschreiben, was das neue Buch einem an der sardischen Küche interessierten Leser bietet.
Produkt einer thematisch-journalistischen Reise
„Eine Entdeckungsreise“ überschreibt der Autor, Herbert Taschler, das kleine einführende Kapitel über die sardische Küche allgemein. Das passt gut. Denn das Buch geht in der Tat nicht theoretisch und systematisch an die Küche der Insel heran. Es ist vielmehr das Produkt einer thematisch-journalistischen Reise. Das ist ein legitimes Vorgehen, insbesondere wenn man, wie der Autor, nicht Experte für nur eine Region und eine Landesküche ist, sondern über immer wieder neue Regionen und Küchen schreibt.
Taschler hat auf seiner Entdeckungsreise bekannte und interessante Köchinnen und Köche besucht. Einige davon kenne ich persönlich und schätze sie sehr. Er stellt diese Köche nicht nur kurz vor, sondern hat von ihnen auch Rezepte bekommen, die er seinen Lesern präsentiert. Diese Vorgehsweise hat den großen Vorteil, dass der Autor dadurch einen Einblick in die aktuelle kulinarische Welt gibt. Die Rezepte repräsentieren zwar teils nicht unbedingt die traditionelle Inselküche. Aber sie zeigen, was einen erwarten kann, wenn man heute auf Sardinien ein gutes Restaurant besucht. Dieses Vorgehen erlaubt auch, das Umfeld, also Land und Leute, mit den Rezepten in Verbindung zu bringen. Es ermöglicht so dem Leser eine lebendigere und interessantere Beschäftigung mit der sardischen Küche als es ein traditionelles Kochbuch täte.
Der Nachteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass moderne und ambitionierte Köche in der Regel eigene Rezeptkreationen anbieten oder bestehende Rezepte deutlich verändern. Ein Leser, der einen Überblick über die traditionellen Rezepte der sardischen Küche sucht, wird deshalb im Buch nur bedingt fündig. Es gibt sie, aber eben nur einige, und zwar die, die auf der kulinarischen Entdeckungsreise sozusagen auf dem Weg lagen. Eine Reihe wichtiger Rezepte fehlen. Hier nur wenige Beispiele: Die berühmte Zuppa Gallurese oder auch das bekannteste Nudelgericht Sardiniens, die Malloreddus alla Campidanese, fehlen, genauso wie die in Cagliari so beliebte Fischsuppe (Sa Cassola) oder das „Nationalgericht“ der Sarden, das Porchetto arrosto, das gegrillte Milchschweinchen.
Kein Kochbuch im eigentlichen Sinne
„La Cucina Sarda“ ist kein Kochbuch im eigentlichen Sinne. Das wird aus dem Gesagten schon deutlich. Auch der Verzicht auf die übliche Einordnung der Rezepte in die klassische Menüreihenfolge macht das deutlich. Und noch etwas unterstützt diese Aussage. Die Rezepte scheinen, zumindest zum Teil, nicht (wie bei einem klassischen Kochbuch üblich) vom Autor oder dem Verlag nachgekocht und auf ihre Stimmigkeit geprüft worden zu sein. Beispiele:
- Wer das Hirtengericht Pane frattau (siehe Seite 142) mit den im Rezept angegebenen Mengen nachkocht, wird schnell merken, dass die Tomatensoße bei weitem nicht ausreicht.
- Wer ein Milchlamm (siehe Seite 194 ) nur die angegebenen 60-80 Minuten grillt, wird feststellen, dass das Fleisch nach dieser Zeit noch nicht gar ist oder verbrannt und trocken, weil es zu nah an die Glut gestellt wurde. Ein Milchlamm, wie es die Sarden lieben, braucht 3-4 Stunden Grillzeit.
- Wer bei den Spaghetti alla Bottarga (siehe Seite 84) die geriebene Bottarga ins heiße Öl gibt, wie im Rezept beschrieben, zerstört den feinen Geschmack. Das Öl sollte bestenfalls etwas erwärmt werden, damit nachher das ganze Gericht nicht zu schnell kalt wird.
- Und wer die Arselle (Vongole) (siehe Seite 88) wie angegeben „sorgfältig putzen“ will, wird feststellen, dass es da, anders als bei den Miesmuscheln, gar nichts zu putzen gibt. Aber die Arselle sollten vor dem Kochen einige Zeit in Salzwasser gelegt werden, damit sie den oft noch enthaltenen Sand aus“spucken“. Oder sie sollten separat auf heißer Flamme geöffnet werden, damit das Muschelwasser durchgesiebt werden kann. Davon steht leider im Rezept nichts.
Hervorragende Bebilderung
Aber genug der Kritik. Ein Argument, das auch ganz besonders für das Buch spricht, ist noch gar nicht benannt. Es ist die hervorragende Bebilderung. Der Fotograf Udo Bernhart hat es geschafft, Menschen, Landschaften, Produkte und Gerichte in sehr ansprechender Weise vorzustellen. Die Bilder wecken die Sehnsucht, (wieder) nach Sardinien zu reisen und dort die vielen leckeren Sachen selbst zu probieren.
Insgesamt ist dem Autor und dem Fotografen ein außerordentlich lesenswertes und attraktives Buch über die Küche in Sardinien gelungen. Ich kann es nur empfehlen. Es wird die Liebe zur sardischen Küche wecken oder verstärken. Und wer traditionelle Rezepte aus dem Buch nachkochen will, kann ja im Zweifel nochmals an anderer Stelle nachschauen – zum Beispiel hier bei sardinien-auf-den-tisch.eu.
Blicke ins Buch
Text: c) Hans-Peter Bröckerhoff
Die Buchdaten:
Herbert Taschler / Udo Bernhart, „La Cucina Sarda – 85 Originalrezepte aus Sardinien“, 320 Seiten, € 39,99, Christian Verlag, ISBN 978-3-95961-290-6
Der Autor:
Herbert Taschler, gebürtig in Toblach im Südtiroler Pustertal und seit über zwei Jahrzehnten in Kaltern und Eppan wohnhaft, bereist seit Jahren die italienische Halbinsel von Norden nach Süden und beobachtet vor allem die Wein- und Gastronomieszene sehr aufmerksam. Als freier Fachpublizist, Gastrosoph und Sommelier verkostet, testet und schreibt er für verschiedene Medien. Dazu gehöhrt auch der »Gambero Rosso«, Italiens tonangebenden Wein- und Restaurantführer.
Der Fotograf:
Udo Bernhartarbeitet seit mehr als 35 Jahren als freier Fotograf und Fotojournalist. Im Vinschgau aufgewachsen und der Südtiroler Landschaft eng verbunden, führten ihn Aufträge in die ganze Welt: Feuerland, China, Alaska, Kamtschatka… Seine Aufnahmen sind in deutschen sowie internationalen Magazinen erschienen. Er hat zahlreiche Fotoreportagen und mehr als 100 Bildbände veröffentlicht. Er lebt abwechselnd im Vinschgau oder in Frankfurt am Main.
Mehr unter: www.udobernhart.de
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